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LIMINA - Grazer theologische Perspektiven
Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
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112 | www.limina-graz.eu Christian Wessely | Wie spricht ein Geist zum anderen Geist? gen“1 und veranstaltet seit über dreißig Jahren einen jährlichen Kongress, in dem es um Themen der Sicherheit, der Offenheit des Datenverkehrs, des Gefahrenpotentials von Zensur, aber auch maßgeblich um technische Lö- sungsmöglichkeiten für Problembereiche der vernetzten IT im Hard- und Softwarebereich geht, kurz: um technische und politische Agenden. Nun kam im Rahmen des 36. Chaos Communication Congresses (C3)2 der Bun- desdatenschutzbeauftragte der Bundesrepublik Deutschland, Ulrich Kel- ber, zu Wort und überraschte mit dem Durchbrechen eines Paradigmas: Nicht Daten seien der Rohstoff des 21. Jahrhunderts,3 sondern Vertrauen (vgl. Kelber 2019). Damit wurde der Blick auf einen in dieser Szene eher in- direkt (Stichwort Zensursensibilität) beleuchteten Faktor gelenkt.4 Eine hoch effiziente Nutzung der Digitaltechnik ist ökonomisch und tech- nisch sinnvoll, wie sich in der sogenannten Coronakrise Anfang 2020 in besonderer Weise auch für die Schnittstelle zwischen Beruf und Privatbe- reich gezeigt hat. Doch die ausschließliche Fokussierung auf Ökonomie und Technik ist nicht ausreichend, um die Kernanforderungen einer freiheit- lich-demokratischen Gesellschaftsordnung westlichen Zuschnittes, vor allem aber einer Gesellschaftsordnung in menschlichem Maß sicherzustel- len. Das Beispiel China zeigt, dass eine Entscheidung über Übernahme oder Ablehnung einer Nutzungsart der in sich (vermeintlich) neutralen Tech- nologie grundsätzlich eine Werteentscheidung ist: In der Güterabwägung zwischen den Vorteilen umfassender Kenntnisse über Verhaltensmuster, Kommunikation, soziale Netzwerke etc. des Einzelnen bzw. bestimmter Bevölkerungsgruppen für den Staat und den Vorteilen des Datenschutzes, der Diskretion und des besonderen Schutzes der Meinungs- und Entschei- dungsfreiheit im Rahmen der weit gesteckten legistischen Regulierungen neigt sich die Waage im Kontext Europas (in der Regel) zu letzterer, im Kontext z. B. Chinas zu ersterer Alternative.5 Ein wesentliches Problem der derzeitigen Situation ist, dass die „Neben- wirkungen“ hinsichtlich der Datenauswertungsmöglichkeiten zum Gutteil bekannt sind, aber um des „größeren Gutes“ der Systemnutzung in Kauf genommen werden, dass dabei aber zugleich das Vertrauen in das System selbst abzunehmen droht. Dies ist insofern fatal, als gerade die Informa- tions gesellschaft maßgeblich durch Vertrauen zusammengehalten wird: Ich muss mich dem Grundsatz nach darauf verlassen können, dass sich die Partnerinnen und Partner in jenem kommunikativen Geschehen, das Da- tenaustausch schon prinzipbedingt immer ist und das zum überwiegenden Teil auf Gewinn abzielt, als vertrauenswürdig erweisen. 1 https://www.ccc.de/de/ [17.02.2020]. 2 Die C3 waren anfangs wie der CCC selbst von offizieller Seite miss- trauisch verfolgt worden, galt doch die Hackerszene als Brutstätte der Illegalität. In der Tat war das Um- gehen von Kopierschutzmechanis- men, die Überprüfung von Sicher- heitsmaßnahmen von behördlichen Computernetzwerken, die digitale Kommunikation abseits der behörd- lich genehmigten (schmalen) Wege und die Analyse von Soft- und Hard- ware auf ihre potentiellen Schwach- stellen zunächst nicht dazu angetan, besonders vertrauensbildend zu wirken. 3 Diese gängige Ansicht wird vor al- lem von neoliberalen Kreisen vertre- ten: Die Kenntnis des persönlichen (Konsum-)Profils des Individuums ermöglicht in der Tat enorme Ge- winnsteigerungen, nicht nur durch personalisierte Werbung, sondern auch durch hoch effiziente Optimie- rung der Produktionsprozesse. 4 Bereits deutlich früher wurde diese Grundkategorie auf den öko- nomischen Bereich angewandt – mit allen problematischen Aspekten, u. a. dargestellt bei Tanner 2014. 5 Der Preis, den das politische Sys- tem Chinas dafür bezahlt, ist hoch und die anhaltenden Proteste in Hongkong im Jahre 2019 zeigten, dass der Druck der Straße auch die zentralistische Regierung in Peking unter Handlungsdruck bringen kann. – In welche Richtung die Handlungsweisen dann allerdings ausschlagen, ist nicht absehbar. Paradoxerweise war unter die- sen Umständen der Ausbruch des Corona virus Anfang 2020 eine Ent- lastung für das Regime: Es konnte erfolgreich entschlossenes Handeln demonstrieren und damit seine Le- gitimität neu inszenieren.
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Limina Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
Titel
Limina
Untertitel
Grazer theologische Perspektiven
Band
3:2
Herausgeber
Karl Franzens University Graz
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 4.0
Abmessungen
21.4 x 30.1 cm
Seiten
270
Kategorien
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