Seite - 127 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2

127 | www.limina-graz.eu Christian Wessely | Wie spricht ein Geist zum anderen Geist? das gelingende Leben des Individuums festzuschreiben. Eine digi- talisierte Gesellschaft bietet die Möglichkeit besserer Information, die Möglichkeit gerechterer Ressourcenverteilung, die Möglichkeit ökologisch sinnvolleren Handelns. Bleibt die Digitalisierung je- doch, wie es mir jetzt in erheblichem Maße zu sein scheint, Selbst- zweck, dann wird sie notwendig zum Angelpunkt je größeren Un- rechts innerhalb der und zwischen den Gesellschaften. Dass sowohl Individuum als auch Gemeinschaften Vorteile aus der techni- schen Neupositionierung des Menschen als genuin digital vernetzter Enti- tät ziehen können, ist legitim. Aber das Gleichgewicht zwischen den Vor- teilen des Individuums und der Gemeinschaft ist diffizil. Es erwächst nicht aus der technischen Interpretation und Bewältigung (Überwältigung) un- serer Lebensumgebung und ist weder der technischen Entwicklung selbst immanent noch ökonomischen Sachzwängen geschuldet. Es muss jeweils aufs Neue erstritten werden. Damit dieses Erstreiten gelingt, muss den handelnden Personen – denn es sind in der letzten Instanz noch Personen, weder Maschinen noch na- menlose Konzerne oder Interessensgruppen – deutlich gemacht werden, dass die Integration eines – wie ich darzulegen versucht habe, letztlich transzendenzbezogenen – Wertekanons in alle technischen Prozesse un- verzichtbar ist. Dies muss eine Kernaufgabe jeder Human- und Geistes- wissenschaft darstellen. Und da es in letzter Konsequenz primär um die menschlichen Grunddimensionen von Vertrauen, Wahrheit, Freiheit und Barmherzigkeit geht, ist es auch eine Kernaufgabe einer zukunftsoffenen Theologie. Die größte Hürde dieses hehren Vorhabens mag die notwendige Überzeugungsarbeit sein, die es dafür noch zu leisten gilt. Die Argumente dafür sind da; die geeigneten Rhetorinnen und Rhetoren nur begrenzt.