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Karl Stöger | Dürfen Maschinen menschliche Barmherzigkeit ersetzen?
die Rechtsordnung Handlungsanweisungen normieren, also Gebote und
Verbote aussprechen. Angesichts der Dominanz ethischer Diskussionen
zu Fragen der Digitalisierung der Pflege fehlt manchmal ein wenig das
Bewusstsein, dass bereits beim heutigen Stand der Gesetzgebung unsere
Rechtsordnung der „Digitalisierung des Lebens“ gewisse Grenzen setzt.
Es ist keineswegs so, dass die Rechtsordnung der Digitalisierung generell
„überfordert“ gegenübersteht und auf deren Herausforderungen keine
Antworten zu geben vermag.
Der folgende Beitrag möchte vor diesem Hintergrund einige grundsätz-
liche rechtliche Fragen behandeln, die die Digitalisierung der Pflege mit
sich bringt. Er beschränkt sich dabei auf die nationale verfassungsrecht-
liche Ebene, da auf dieser die grundlegenden, auch aus ethischer Sicht dis-
kutierten Fragen angesprochen werden. Die völkerrechtliche Ebene wird
hier nicht berücksichtigt, europäische Grundrechte (die Europäische Men-
schenrechtskonvention [EMRK] einerseits, die EU-Grundrechtecharta
[GRC] andererseits) werden berücksichtigt, da sie in Österreich als natio-
nales Verfassungsrecht (EMRK) bzw. neben nationalem Verfassungsrecht
(GRC) gelten. Ergänzend soll dann noch auf zwei weitere rechtlich inten-
siver diskutierte Fragen der Digitalisierung aufmerksam gemacht werden,
die auch für die Pflege von Interesse sind: einerseits die Thematik der An-
erkennung von Maschinen als Personen im Rechtssinne (E-Person), ande-
rerseits die Begründbarkeit (explainability) algorithmischer Entscheidun-
gen als (auch) rechtliche Herausforderung.
Die genannten grundsätzlichen Fragen der Digitalisierung der Pflege sind
die folgenden:
1. Kann eine Ersetzung von Menschen durch pflegende Maschinen
rechtlich beachtliche pflegerische Standards verletzen?
2. Hat der zu Pflegende ein die Digitalisierung der Pflege einschrän-
kendes Recht auf Wahrung seiner Menschenwürde?
3. Muss der Staat einschreiten, um einen digital divide in der Pflege zu
verhindern, nach dem Reiche eher von Menschen und Arme eher von
Maschinen gepflegt werden?
Die Rechtsordnung steht der Digitalisierung
keineswegs generell „überfordert“ gegenüber.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven