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Karl Stöger | Dürfen Maschinen menschliche Barmherzigkeit ersetzen?
zinische Vorgänge mit und ohne KI-Einsatz heute schon eine Komplexität
erreichen, die medizinisches Personal geradezu dazu verpflichtet, mit „an-
gemessener reduzierter Komplexität“ aufzuklären (Eberbach 2019, 116; in
diese Richtung überlegend auch Price 2018, 299 Fn.
15). Es geht somit nicht
darum, die KI-Entscheidung im Detail nachvollziehbar zu machen, sondern
nur, darzulegen, wie diese im Groben arbeitet und welche Fehler dabei pas-
sieren können. Wenn somit Ärztinnen und Ärzte zugelassene KI-Systeme
mit kritischem Blick verwenden und PatientInnen ausreichend auf mögli-
che Fehler des Systems hinweisen, dann sollen sie nach diesen Meinungen
für dennoch eintretende Fehler auch nicht haften (sondern allenfalls die
Hersteller, zum Ganzen Schönberger 2019, 202). Andere Autorin
nen und
Autoren gehen davon aus, dass das medizinische Personal sich umfassend
von der Funktionsweise KI-basierter Systeme überzeugen muss und diese
sonst nicht zur Anwendung bringen darf (vgl insbesondere Price 2018, 299;
in diese Richtung, freilich zurückhaltender, auch Molnar-Gabor 2019) –
was es ihnen umgekehrt auch ermöglichen müsste, Patientinnen und Pa-
tienten umfassend über die Funktionsweise zu informieren.
Auch wenn diese auf die medizinische Behandlung bezogenen Ansätze
durchaus gegensätzlich sein mögen, ist jedenfalls klar, dass sie auch für
KI-basierte Pflege(unterstützungs)systeme fruchtbar gemacht werden
könnten. Hier darf vor allem nicht vergessen werden, dass Gerichte vor
ihnen anhängig gemachte Fälle unter Rückgriff auf die jeweils geltende
Rechtslage jedenfalls lösen müssen – eine Entscheidung überhaupt ver-
weigern dürfen sie nicht. Anders gesprochen: Ein bloßes Ausreden auf die
„nicht beherrschbare Maschine“ wird rechtlich nicht funktionieren. Die
„nicht nachvollziehbare“ pflegerische Entscheidung einer Maschine ohne
Mitwirkung bzw. Verantwortlichkeit eines Menschen ist daher aus juristi-
scher Sicht kein sehr wahrscheinliches Zukunftsszenario.
Schlussbemerkung
Die Digitalisierung der Pflege bringt nicht nur aus ethischer, sondern auch
aus rechtlicher Sicht zahlreiche Herausforderungen mit sich. Allerdings
ist es nicht so, dass sich die Antworten auf diese Herausforderungen nicht
Ein bloßes Ausreden auf die „nicht beherrschbare
Maschine“ wird rechtlich nicht funktionieren.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 3:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 3:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 270
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven