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Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum
Sussman bringt es auf den Punkt:
„Reform culinary culture now had no limits. Synagogue banquets and
Sisterhood cookbooks alike were soon to include not only seafood but
pork dishes as well. Viewed historically, the Reform movement had in-
stitutionalized a truly radical vision of Judaism.“ (Sussman 2005, 46)
Dass diese Haltung nicht ohne Gegenwehr von observant-jüdischer Seite
blieb, ist klar. Aber auch Gruppen und Personen, die zwar nicht „ortho-
dox“ waren, sich aber im Vergleich zu den liberalen Kräften traditioneller
verhielten und lebten und sich der Bedeutung der Speisegebote verbunden
fühlten, wandten sich gegen diese radikale Haltung. Überhaupt lässt sich
feststellen, dass es nicht zuletzt Fragen zu den Speisegeboten waren, die
zu Trennungen innerhalb der eher traditionellen Richtungen in so genann-
te Konservative, Modern-Orthodoxe und Streng-Orthodoxe führten.
In jüngerer Zeit nehmen sich auch die Statements des liberalen Judentums
weitaus gemäßigter aus. Die Neufassung der Pittsburgh Platform 1999 liest
sich so:
„We are committed to the ongoing study of the whole array of mitzvot
and to the fulfillment of those that address us as individuals and as a
community. Some of these mitzvot, sacred obligations, have long been
observed by Reform Jews; others, both ancient and modern, demand re-
newed attention as the result of the unique context of our own times.“
(http://www.jewishvirtuallibrary.org/reform-judaism-modern-
statement-of-principles-1999 [12.08.2021])
Die Unterschiede bleiben freilich groß, wobei der Einfluss der Charedim
nicht nur in Israel, wo dieser Wandel signifikant feststellbar ist, zunimmt
(vgl. allgemein dazu für die USA: Pew Research Center 2015).
Essensvorschriften waren immer eine Angelegenheit der Identitätsbildung
und -findung. Insofern überrascht es nicht, dass über die Jahrhunderte
Speisevorschriften mit der Abgrenzung zwischen sich als religiös obser-
vant verstehenden und den eher assimilierten, akkulturierten Juden und
Jüdinnen verbunden waren.
Essensvorschriften waren immer eine Angelegenheit
der Identitätsbildung und Identitätsfindung.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven