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Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum
Gerade in Bezug auf den Wein – der nicht nur als Genussmittel, sondern
auch in der Liturgie eine wichtige Rolle spielt – wird besonders darauf ge-
achtet, dass damit vor seiner Verwendung im jüdischen Haus kein Götzen-
dienst getrieben wurde. So verbietet ihn der babylonische Talmud (Avoda
Zara 31a), weil, wie es heißt, die Nichtjuden ihn als Trankopfer verwende-
ten. Wein muss vom Weinstock bis zur Ausschank streng religionsgesetz-
lich kontrolliert werden. Nichtjuden sollten dabei fernbleiben. Eine Aus-
nahme wird dann gemacht, wenn der Wein für kurze Zeit während des Her-
stellungsprozesses stark erhitzt wurde (jajin mevuschal, vgl. babylonischer
Talmud Schabbat 40b), was bis heute – unter unterschiedlichen Vorgaben,
die zwischen 75,5° und 87,7° Celsius schwanken – häufig üblich ist, vor
allem, wenn Nichtjuden koscheren Wein anbieten wollen. Auf diese Weise
wird es beispielsweise auch nichtjüdischen Kellnern in einem Restaurant
erlaubt, eine Flasche Wein zu öffnen. Nichtsdestotrotz wissen wir, dass der
Erwerb von Wein von Nichtjuden, aber auch der gemeinsame Weingenuss
und die Tischgemeinschaft im Laufe der Geschichte keine Seltenheit waren
(vgl. dazu Kraemer 2007, 123–145).
Widerstand gegen diese gängige Praxis kam von beiden Seiten. So wird die
Tischgemeinschaft von Juden mit Nichtjuden indirekt auch durch die re-
gelmäßig wiederholten Verbote durch kirchliche Konzilien und Synoden
bestätigt (Laodikea 364; Karthago 398; Epao 517 etc.).
Auf jüdischer Seite nur ein Beispiel aus dem babylonischen Talmud Avoda
Zara 36b. Er kommentiert die Mischna Avoda Zara 2.3–7, in der verschie-
dene Produkte, die von Nichtjuden erzeugt wurden, darunter bestimmter
Käse und Wein, verboten werden. Es heißt:
„Und Geniva sagte im Namen Ravs: Über sie alle (Brot, Öl, Wein und
Töchter) wurden wegen Götzendienstes ein Verbot verhängt. So, als Rav
Acha bar Adda (nach Babylonien) kam (sagte er, dass) Rabbi Isaak sagt:
Sie verboten ihr Brot wegen des Öls. Warum ist Öl gegenüber Brot stärker
verboten?
Vielmehr sind ihr Brot und ihr Öl wegen des Weins verboten, und der Wein
wegen ihrer Töchter, und ihre Töchter wegen einer anderen Sache, und
die andere Sache wegen einer anderen Sache. Ihre Töchter sind (aber)
schon in der Tora verboten, wie es heißt: ‚und du sollst dich nicht mit
ihnen verschwägern. [Deine Tochter gib nicht seinem Sohn und nimm
Widerstand gegen die Tischgemeinschaft
von Juden mit Nichtjuden
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven