Seite - 56 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
Bild der Seite - 56 -
Text der Seite - 56 -
54 | www.limina-graz.eu
Gerhard Langer | Essen und Trinken als Ausdruck von Identität und Diversität im (rabbinischen) Judentum
seine Tochter nicht für deinen Sohn!]‘ (Dtn 7,3). Die Tora verbietet dies
nur mit den sieben Völkern, aber mit den anderen Götzendienern hat sie
es nicht verboten, bis jene kamen und es auch in Bezug auf den Rest der
Götzendiener verboten. Und Rabbi Schimon ben Jochai sagt: ‚Wenn er
dein Kind verleitet, [mir nicht mehr nachzufolgen, und sie dann anderen
Göttern dienen, wird der Zorn des HERRN gegen euch entbrennen und
wird dich unverzüglich vernichten]‘ (Dtn 7,4) – um all die einzuschlie-
ßen, die (zum Götzendienst) verleiten. Was ist dazu noch zu sagen, außer,
dass die Tora nur die Ehe verbot, bis jene kamen und auch die Unzucht
verboten. […] Nach der Tora ist nur das Alleinsein mit einer verheirateten
Frau verboten, dann kam David und verbot es auch mit einer unverhei-
rateten Frau, und darauf kamen die Schüler der Schulen Schammais und
Hillels und verboten auch das Alleinsein mit einer Götzendienerin.“
Der Text bedarf ein wenig Erläuterung. Klar ist, dass die Rabbinen hier
einen eindeutigen Grund dafür liefern, warum die Produkte der Nichtju-
den verboten sind. Es ist schlicht der berühmte Zaun um die Tora. Denn wer
Brot annimmt, wird vielleicht später auch das Öl annehmen, danach viel-
leicht den Wein, der die Zunge löst, den Verstand benebelt und den Trieben
freie(re)n Lauf lässt. So kann es dann passieren, dass der Jude die Toch-
ter des Nichtjuden zu Gesicht bekommt und sie begehrenswert findet. Die
„andere Sache“, die im Text anklingt, ist Geschlechtsverkehr.12 Er aber ist
noch nicht das letzte „Übel“. Am Schluss, so heißt es, führt er nämlich zu
einer weiteren Sache, und das ist Götzendienst. Wie einst Salomo von der
Tochter des Pharao zum Götzendienst verführt wurde (vgl. im babyloni-
schen Talmud Schabbat 56b; Sanhedrin 21b), so droht dieses Schicksal al-
len jüdischen Männern, wenn sie nicht aufpassen. Der Einwand, dass die
Mischehe ja schon in der Bibel verboten sei, wird gekonnt aufgegriffen und
dabei festgehalten, dass die Bibel nur eine gewisse Gruppe von der Ehe aus-
schloss und eine illegitime Verbindung, also Konkubinat, überhaupt nicht
berücksichtigte. Es folgen im Text noch weitere Einwendungen, die darauf
abzielen, die Bestimmungen gegen verbotene Beziehungen schon in der
Bibel bzw. zumindest in der Zeit des Zweiten Tempels zu verankern, bis am
Schluss das Verbot des Alleinseins mit einer Nichtjüdin als eine Regelung
akzeptiert wird, die von den anerkannten Schulen Schammais und Hillels,
also von zwei wichtigen protorabbinischen Gelehrten, herkommt. Dies hat
natürlich nichts mehr mit Speisegeboten zu tun. Sie sind geradezu nur der
Auslöser für die Klarstellung der nicht gewünschten Verbindung zwischen
Juden und Nichtjuden mit dem Ziel, vor allem zu verhindern, dass die jüdi-
schen Männer vom jüdischen Glauben abgebracht werden.
12 Weiter im Text wird auch die
Päderastie genannt. Jedenfalls wird
deutlich, dass eine verbotene ge-
schlechtliche Beziehung gemeint ist.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven