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Ulvi Karagedik | Ansätze für eine islamische Speiseethik gemäß den islamischen Primärquellen Koran und Hadith
Prämissen mit dem Nahrungsvollzug einhergehen. Ferner gilt es dafür zu
erfragen, warum etwas verboten oder erlaubt wird, was die Quellen emp-
fehlen und welche Konsequenzen für die zeitgenössischen Muslim:innen
damit verbunden sind.
Im Folgenden sollen die islamischen Speiseregeln in Anbetracht dieser
Fragestellungen analysiert und reflektiert werden. Dazu soll zunächst auf
den allgemeinen Sinn und Zweck speiseethischer Prinzipien eingegangen
werden, um dies im weiteren Verlauf kategorial auszudifferenzieren und
tiefgehender zu reflektieren sowie kritische Bezüge zu aktuellen Heraus-
forderungen und Problematiken muslimischer Lebenswelten in der Gegen-
wart herzustellen. Aufgrund seiner diskursdominierenden Stellung soll das
Thema des Konsums von Fleisch und Tierprodukten aus religiöser Sicht
abschließend noch einmal reflektiert und angesichts der in diesem Beitrag
gesammelten Erkenntnisse resümiert werden.
2 Sinn und Zweck islamisch-speiseethischer Prinzipien
Das menschliche Leben basiert auf der Nahrungsaufnahme, deren Ermög-
lichung aus der koranischen Perspektive betrachtet ein Segen ist, welcher
die Menschen zur Gotteserkenntnis sowie zur Wertschätzung führen soll
(vgl. beispielsweise Koran, 16: 72; 35: 3). Jene Prämissen werden in der Pri-
märquelle des Islams durchaus rational vermittelt, wobei der Mensch die
Vielfalt der Gaben, die Diversität ihrer Eigenschaften sowie ihre Geschmä-
cke trotz ihres Ursprungs aus ein und denselben Materie (Erde bzw. Was-
ser) reflektieren soll:
„Der Mensch schaue seine Nahrung an: dass wir das Wasser reichlich
ausgießen, dann die Erde spalten und Korn auf ihr wachsen lassen, Reb-
stöcke und Kräuter, Ölbäume und Palmen, dicht bewachsene Gärten,
Früchte und Gras zur Nutznießung für euch und euer Vieh“ (Koran, 80:
24–30).
Die Muslim:innen sollen sich bewusst sein, dass einschließlich ihrer eige-
nen Kraft und körperlichen Fähigkeiten alles auf Gott zurückzuführen ist,
welcher die Schöpfung versorgt und aufrechterhält (vgl. Koran, 6: 13–14;
106: 4; 16: 78–83). Daher lehrte schon der Prophet, den Stellenwert des Es-
sens zu kennen, dafür zu danken und es nicht zu kritisieren:
„Der Mensch schaue seine Nahrung an.“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven