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Ulvi Karagedik | Ansätze für eine islamische Speiseethik gemäß den islamischen Primärquellen Koran und Hadith
Andererseits verdeutlichen die oben zitierten Koranstellen, dass immer
auch eine spirituelle Dimension mitschwingt, welche das Fleisch entweder
segnet (in diesem Fall durch den Ausspruch von Gottesnamen) oder ent-
segnet und somit spirituell unrein werden lässt (wenn das Tier etwa im
Namen eines Götzen geopfert wird). Jene rituelle Dimension, die im Islam
durch die Formel „Bismillah“ („B‘shem Elohim“ im Judentum) erreicht
wird, ist somit neben der Schächtung entscheidend für die Reinheit des zu
verzehrenden Fleisches. Beachtlich ist jedoch auch, dass jegliche Speise-
einschränkungen des Islams nur im Rahmen der Möglichkeiten gelten bzw.
dann aufgehoben werden, sobald eine Zwangslage eintritt (etwa drohende
gesundheitliche Schäden durch die Unauffindbarkeit erlaubter Nahrung bei
gleichzeitiger Verfügbarkeit von Schweinefleisch).
Rat zu mäßigem Fleischkonsum in den Hadithen
Ein weiterer in Bezug auf den Fleischkonsum relevanter Aspekt ist eine
Empfehlung in den islamischen Primärquellen, Fleisch nicht zu oft zu ver-
zehren. So heißt es vom Prophetengefährten (und zweiten Kalifen) ʿUmar:
„Hüte dich vor Fleisch. Es hat ein Suchtpotenzial wie das von Wein“ (Mālik
b. Anas: Ṣifa an-nabī, 36; 1710). Ähnlich heißt es vom Prophetenvetter ʿAlī,
dass das Herz desjenigen abstumpfe, welcher vierzig Tage in Folge Fleisch
esse (vgl. Al-Ghazālī 1998, Bd. 3).
Bekanntermaßen hat der Fleischkonsum einen eklatanten Einfluss auf das
Verhalten des Menschen (vgl. Irmisch 2019) und auf die Gesundheit (vgl.
Klausner/Zollner 1996). Darüber hinaus bedeutet weniger Fleischverzehr
mehr Ackerfläche und den bewussteren Umgang mit Ressourcen (s. o.).
So werden durch die Tierproduktion in Deutschland etwa 65 Prozent der
landwirtschaftlichen Fläche beansprucht, d. s. rund 11 Millionen Hektar
(vgl. Wagner/Lesschen/Oenema 2014). Vorteile durch die Reduktion des
Fleischkonsums wären – über das Freiwerden landwirtschaftlicher Flä-
che hinaus – die Wasserersparnis, welche im Zuge immer länger währen-
der Dürreperioden und Wasserknappheit in vielen Regionen der Welt eine
immense Rolle spielt, sowie eine Reduktion der Bodenbelastung durch
Dünge stoffe.
Somit ergeben sich sowohl theologisch als auch wissenschaft evidente
Gründe für Muslim:innen, den Fleischkonsum zu reduzieren, Fleisch nur in
Sowohl theologische wie auch wissenschaftliche
Gründe, den Fleischkonsum zu reduzieren
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven