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Agnethe Siquans | „Die Speise des Wortes Gottes essen“
und keinen Gegensatz. Der Geist ist im Buchstaben wie der Honig in der
Wabe. Der Christ erhält Buchstabe und Geist wie ein doppeltes Gewand.“
(Lubac 1968, 215)
Das buchstäbliche Verständnis der Schrift ist wichtig, weil der Buchsta-
be inspiriert und Wort Gottes enthält. Das wahre Verständnis der Schrift
ist für Origenes aber das geistige, das im Buchstaben verborgen ist. Dieses
führt zu einem angemessenen christlichen Lebenswandel. Um dieses zu
vermitteln, legt Origenes als Lehrer in Alexandria und als Prediger in Cä-
sarea zahlreiche biblische Bücher in Kommentaren und Homilien aus, von
denen nur ein Teil erhalten ist (vgl. Fürst 2015; Vogt 2002 [1998]).
Die Homilien zum Buch Levitikus, die in diesem Beitrag im Zentrum des
Interesses stehen, gehen auf Predigten zurück, die Origenes als Presby-
ter zwischen 245 und 250 in Cäsarea hielt (vgl. Grappone 2001, 52), wo er
sich seit etwa 234 aufhielt. Origenes hielt seine Homilien in griechischer
Sprache. Er selbst schrieb sie nicht auf, aber in fortgeschrittenem Alter, als
erfahrener Prediger, gestattete er Schnellschreibern, die von seinem För-
derer Ambrosius finanziert wurden, seine Homilien mitzuschreiben (vgl.
Nautin 1976, 100–191). Erhalten sind sie allerdings – bis auf einige griechi-
sche Fragmente – ausschließlich in der lateinischen Übersetzung, die Rufi-
nus von Aquileia in den Jahren 403 bis 405 zusammen mit den Homilien zu
Genesis und Exodus anfertigte. Ronald Heine kommt zu dem Schluss, dass
Rufins Übersetzung im Wesentlichen den Gedankengang des Origenes wie-
dergibt, auch wenn er eher frei übersetzt und die oft knappen Auslegungen
des Origenes ausführlicher erörtert hat (vgl. Heine 1982, 27–40).
Das Buch Levitikus war (und ist) ein in christlichen Kreisen als schwierig
und teils auch als für das christliche Leben irrelevant beurteiltes Buch. Es
enthält im Wesentlichen Anweisungen für den Kult zunächst im Zeltheilig-
tum während der Wüstenwanderung, die aber natürlich auch den Kult am
Jerusalemer Tempel im Blick haben (bzw. diesen in die Wüstenzeit zurück-
projizieren). Dazu gehören detaillierte Opferbestimmungen, Anweisun-
gen für die Weihe und das Verhalten von Priestern, Reinheits- und Reini-
gungsvorschriften, darunter auch Speisegebote, im Zentrum das Ritual des
Versöhnungstags ebenso wie Gebote für das soziale Zusammenleben, das
gleichfalls durch Heiligung bestimmt sein soll. In zwei Bereichen spielt das
Essen dabei eine wichtige Rolle: Einerseits werden Tiere und nicht-tieri-
sche Lebensmittel als Opfer im Heiligtum dargebracht. Ein Teil davon wird
auch gegessen. Die Bedingungen dafür sind in den Kultregelungen festge-
legt: Was darf von wem gegessen werden? Wo und wann werden das Op-
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven