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Agnethe Siquans | „Die Speise des Wortes Gottes essen“
ferfleisch oder die Brote gegessen? Andererseits gibt es Speisevorschriften,
die sich wiederum vor allem auf tierische Nahrung beziehen. Welche Tiere
dürfen gegessen werden und was sind die Rahmenbedingungen dafür? Es-
sen als fundamentaler Lebensvollzug ist also auch Teil des Kults und als
solcher geregelt. Das Buch Levitikus gibt darüber hinaus auch Regeln für
alltägliche Speisen. Thomas Hieke beschreibt das biblische Buch als
„ein Programm, eine priesterlich konzipierte Utopie über die Abläufe am
Heiligtum und das zwischenmenschliche Zusammenleben, das die an-
gestrebte Heiligkeit als imitatio Dei und Repräsentanz Gottes in der Welt
widerspiegeln soll“ (Hieke 2014, 73).2
Das Judentum fand nach der Zerstörung des Tempels unterschiedliche Zu-
gänge zum Buch Levitikus, halachische sowie haggadische (vgl. Neusner
2005; Stemberger 2005; Tzvetkova-Glaser 2010). Die haggadische Ausle-
gung interpretierte das Buch Levitikus wie Origenes im übertragenen Sinn.
Dennoch sind der hermeneutische Zugang und die Intention beider Aus-
legungen grundverschieden, wie de Lange festhält:
„There was a fundamental difference between the Christian and the
rabbinic attitude to the law; the Rabbis were concerned to make the laws
practicable, and relevant to the times in which they lived, while Origen
had no time at all for the Mosaic law as law, und uncompromisingly re-
jected the halakhic refinements of the Rabbis.“ (de Lange 1976, 96)
Origenes bietet eine dezidiert christliche Interpretation des Buches. Sein
leitender Grundsatz für die Auslegung von Levitikus ist Röm 7,14: „Das Ge-
setz ist geistig.“ In diesem Sinn versucht er, seinen Hörer/innen die Rele-
vanz dieses biblischen Buches für ihr eigenes spirituelles Leben nahezu-
bringen.3 Origenes’ Ziel ist die „Auferbauung der Gemeinde zur christlichen
Frömmigkeit, ja zu einer Christusfrömmigkeit“ (Markschies 1997, 60). Da
ihm der Literalsinn dafür oft wenig hilfreich scheint, legt Origenes die Tex-
te auf einer zweiten Ebene, die oft als zweiter Schritt der Auslegung erfolgt,
im spirituellen Sinn aus. Dafür zieht er andere Texte aus Altem und Neuem
Testament heran, verknüpft typologisch Ereignisse, Personen und Vor-
gänge des Alten mit solchen des Neuen Testaments, deutet Details mittels
Allegorese und bringt so das Buch Levitikus mit seinen Hörer/innen und
2 Er weist auch darauf hin, dass es
sich dabei um einen idealen Entwurf
handelt, der nicht als historische
Beschreibung des Tempelkults zu
einer bestimmten Zeit missverstan-
den werden darf.
3 Das dürfte eine beträchtliche
Herausforderung gewesen sein, wie
folgende Zeilen aus der 27. Numeri-
homilie belegen: „Wenn diesen (An-
fängern) also eine solche Lesung aus
Origenes bietet eine dezidiert christliche
Interpretation des Buches Levitikus.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven