Seite - 126 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
Bild der Seite - 126 -
Text der Seite - 126 -
124 | www.limina-graz.eu
Agnethe Siquans | âDie Speise des Wortes Gottes essenâ
Das Hören der Lehre
Ein groĂes Anliegen des Origenes ist es, dass die Schrift und ihre Auslegung
auch gehört werden, und zwar ernsthaft. Der erste Schritt dazu ist der Be-
such des Gottesdienstes. Sich dort um das Verstehen der göttlichen Schrift
zu bemĂŒhen, fordert Origenes mit deutlichen Worten ein.
âDenn wer von euch leiht sein Ohr, wenn die Schriften vorgetragen
werden? Gott droht durch den Propheten und zwar in groĂem Zorn:
âIch werde Hunger auf die Erde schicken, nicht Hunger nach Brot und
Durst nach Wasser, sondern Hunger, das Wort Gottes zu hören.â (Am.
8,11) Nun jedoch schickte Gott nicht Hunger auf seine Kirche und nicht
Durst, das Wort Gottes zu hören. Denn wir haben das lebendige âBrot, das
vom Himmel herabgekommen ist,â (Joh. 6,41) wir haben âdas lebendige
Wasser, das ins ewige Leben sprudeltâ (Joh. 4,10.14). Warum töten wir
zur Zeit der Fruchtbarkeit uns selbst durch Hunger und Durst? [âŠ] Wenn
du hingegen hÀufig zur Kirche kommst, das Ohr auf die göttlichen Texte
lenkst, die ErklÀrung der himmlischen Anordnungen begreifst, so wird,
wie das Fleisch durch die Speisen und GenĂŒsse, der Geist durch die gött-
lichen Worte und Gedanken stark und zwingt, krÀftiger geworden, das
Fleisch, ihm zu gehorchen und seinen Gesetzen zu folgen. Die Nahrung
des Geistes sind daher die göttliche Lesung, unablÀssige Gebete, die Pre-
digt der Lehre. Durch diese Speisen wird er genÀhrt, durch sie wird er
stark, durch sie wird er siegreich.â (in Lev. hom. 9,7)
Das Zitat aus dem Propheten Amos stellt die Verbindung zwischen Brot und
Wasser und dem Wort Gottes her. Hunger und Durst sind hier gemeinsam
angesprochen. Solchen Hunger und Durst gibt es nach Origenes in der Kir-
che nicht, da sie, wie mit zwei Zitaten aus dem Johannesevangelium belegt
wird, sogar das lebendige Brot und Wasser in Form von Christus, dem Wort
Gottes, besitzt. Wer Hunger und Durst leidet, ist demnach selbst schuld, da
er nicht zur Kirche kommt, um dieses Wort zu hören.
Wie das Fleisch den Körper stÀrkt, so ist das Hören der biblischen Lesungen,
der Predigten und Gebete Nahrung fĂŒr den Geist. Die Christ/inn/en mĂŒssen
daher zunÀchst einmal die Gelegenheit suchen und nutzen, das Wort Gottes
zu hören und so diese geistige Speise zu erhalten.
âDie Nahrung des Geistes sind die göttliche Lesung,
unablĂ€ssige Gebete, die Predigt der Lehre.â
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven