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Agnethe Siquans | „Die Speise des Wortes Gottes essen“
Das geistige Verständnis der Schrift
Entscheidend ist dabei, die gehörten Worte auch richtig zu verstehen, und
das bedeutet für Origenes, sie in geistigem Sinn und nicht buchstäblich zu
verstehen. Das ist aber nur Menschen möglich, die spirituell entsprechend
fortgeschritten sind. Lev 24,5 spricht von Brot, das aus Feinmehl gemacht
wird. Es unterscheidet sich von aus gewöhnlichem Mehl gebackenem Brot
und wird von Origenes auf die höhere Erkenntnis bezogen:
„Jedes Wort Gottes ist Brot, doch es gibt einen Unterschied zwischen den
Broten. Es gibt nämlich ein Wort, das für das gewöhnliche Hören vorge-
tragen werden und das Volk über die Werke der Barmherzigkeit und der
ganzen Wohltätigkeit belehren kann; und das ist das Brot, das gewöhn-
lich erscheinen wird. Es gibt hingegen ein anderes, das Geheimes enthält
und den Glauben an Gott und die Erkenntnis der Dinge erörtert. Das ist
das reine und aus Feinmehl zubereitete Brot.“ (in Lev. hom. 13,3)
Das gewöhnliche Verständnis der Schrift ist immerhin geeignet, das ethi-
sche Verhalten der Gläubigen zu verbessern. Das eigentlich Christliche ist
aber verborgen und etwas Besonderes. Es besteht in einer höheren Er-
kenntnis von Gott und Welt. Für diese ist aber bereits ein „heiliger“ Le-
benswandel erforderlich:
„Denn es ist nicht angemessen, dass eine nicht heilige Seele heilige Wor-
te aufnimmt, sondern wenn sie sich von aller Besudelung des Fleisches
und der Sitten gereinigt hat, dann soll sie, ein heiliger Ort geworden, die
Nahrung jenes Brotes zu sich nehmen, ‚das vom Himmel herabkommt‘
(Joh. 6,33).“ (in Lev. hom. 13,5)
Die Bezeichnung dieser Brote als das „Allerheiligste“ in Lev 24,9 entspricht
dieser Forderung:
„Du siehst, wie er nicht einfach nur ‚heilig‘ sagte, sondern das ‚Aller-
heiligste‘, wie wenn er sagen würde: Diese heilige Speise ist weder eine
gewöhnliche Speise für alle noch für irgendeinen Unwürdigen, sondern
die Speise der Heiligen. Um wie viel mehr werden wir das richtig und mit
Recht auch vom Wort Gottes sagen: Dieses Wort ist nicht für alle; nicht je-
der Beliebige kann das Mysterium dieses Wortes hören, sondern es ist nur
für die Heiligen, die im Geist gereinigt sind, die rein im Herzen sind (vgl.
Das eigentlich Christliche ist verborgen und etwas Besonderes.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven