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Dilek Bozkaya und Alfred Garcia Sobreira-Majer | Interreligiöses Lernen am Buffet
Zunge zu beherrschen, stammen vom obersten Pir der Alevit:innen, Hünkar
Hacı Bektaş Veli. In seinem wichtigsten Werk, dem Makalat, erklärt Hünkar
Hacı Bektaş Veli den mystischen Weg, den der Adept gehen muss, um zu
Gott (Hakk) zu gelangen. Güzelmansur vergleicht diesen mystischen Weg
mit einem Treppenhaus. Nach jedem Tor muss man zehn Stufen hinauf-
steigen, um das nächste Tor zu erreichen (vgl. Güzelmansur 2012, 61–62).
Özgür Savasci verbildlicht hingegen das Wertesystem mit dem Erzie-
hungssystem und vergleicht das erste Tor mit der Grundschule, da hier das
Grundwissen und die Glaubenspraxis zum Alevitischen Glauben gelehrt
werden (vgl. Savasci 2004, 24). Darin kommt unter anderem die Stufe „Er-
laubtes essen und Erlaubtes anziehen“ (Bozkurt 2009, 172) vor. Das heißt,
dass die Reinheit des Essens von Anfang an in die religiöse Erziehung ein-
gebunden wird, und dies betont erneut dessen Wichtigkeit. Es gehört auch
zur alevitischen Tradition, die Mahlzeit mit dem Spruch „Helal hoş olsun“
zu beginnen. Dies bedeutet sinngemäß, dass das Essen, welches nur aus
Zutaten besteht, die mit ehrlich verdientem Geld gekauft und mit dem Ein-
verständnis des Koches/der Köchin zubereitet wurde, nun gegessen werden
darf (vgl. https://www.uludivan.de/Aleviler%2C-neden-Afiyet-olsun-de-
mezler-f-.htm [20.02.2021]).
Transformation in der Diaspora
Neben der Reinheit des Essens gehört zu den wichtigsten Geboten des
Alevitentums die gerechte Teilung von Lebensmitteln innerhalb der Ge-
meinschaft. Dies wird insbesondere an Festtagen und in Cem-Zeremonien
ersichtlich. Laut Robert Langer gehört zu den Kollektiv-Ritualen der Ale-
vit:innen das „‚Opfern‘ von Lebensmitteln vor der Ritualdurchführung,
ihre Aufteilung und ‚Segnung‘ während des Rituals, ihre Verteilung in glei-
chen, ‚gerechten‘ Portionen sowie das gemeinsame Mahl nach dem Ritual“
(Langer 2008, 74). Hierher gehört zum Beispiel die Opferung eines Tieres
(kurban kesmek), die Zubereitung des Opferfleisches in einem Kessel (ka-
zan) und die anschließende Segnung mit einem Gebet (dua) durch einen
Geistlichen (dede). Danach wird das Opfermahl in kleinen Stücken (lok-
ma) unter der Gemeinschaft aufgeteilt (vgl. Langer 2008, 74). Durch die
Urbanisierung, die Migration nach Europa und den erlangten Wohlstand
alevitischer Familien durchläuft dieser religiöse Ritus eine Transforma-
„Erlaubtes essen und Erlaubtes anziehen“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven