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Dilek Bozkaya und Alfred Garcia Sobreira-Majer | Interreligiöses Lernen am Buffet
Diese drei Grundbegriffe ließen sich durch weitere Begriffe wie Wahrneh-
men, Verstehen, Urteilen, Kommunizieren und Partizipieren ausdifferen-
zieren. Da Einstellungen wie Toleranz, Offenheit, Respekt den jeweiligen
Umgang mit Wissen, die Bereitschaft zur Perspektivenübernahme und zum
Handeln entscheidend prägen würden, könnten auch sie als Komponenten
interreligiöser Kompetenz aufgefasst werden (vgl. Schweitzer 2014, 155)
und seien durch Lernprozesse zu fördern.
Mit Blick auf verschiedene Methoden interreligiösen Lernens kommt das
Lernen durch Verkosten von Speisen dem interreligiösen Lernen „durch
die Begegnung mit Zeugnissen anderer Religionen“ (Sajak 2018, 109) am
nächsten.
Die von britischen Religionspädagog:innen entwickelte Methode ist in der
deutschsprachigen Religionspädagogik rezipiert und weiterentwickelt
worden (vgl. Meyer 1999; Sajak 2005). Sie besteht darin, dass eine fremde
Religion durch etwas, das von dieser Religion „Zeugnis“ gibt, den Lernen-
den vorgestellt wird. Dies kann nicht nur ein (Kult-)Gegenstand, sondern
z. B. auch ein Text, ein Klang, ein Ritual, eine religiöse Aussage sein (vgl.
Meyer 2019, 216).9 Wichtig ist, dass es für die jeweilige Religion exempla-
risch ist und nach dem Verständnis ihrer Angehörigen auf Transzendenz
verweist (vgl. Sajak 2018, 62).
Die genannten Kriterien können für die Auswahl der Speisen, die präsen-
tiert werden, hilfreich sein: Sind sie für die fremde Religion exemplarisch?
Verweisen sie auf das Heilige? Für die oben dargestellte Asure-Suppe mag
das gelten, für den Christstollen wohl kaum. Im Rahmen des Christentums
würde der Verweis auf das Tranzendente in den Hostien der Abendmahls-
bzw. Eucharistiefeier am deutlichsten werden. Aber wie können sie auf das
Heilige verweisen, wenn sie nicht in ihrem Gebrauchszusammenhang er-
lebbar werden?
Das Grundproblem liegt daher für Meyer darin, dass in der Schule das
Herzstück religiöser Traditionen wie die „Verehrung eines Transzenden-
ten“ oder die „Erfahrung der Hingabe im Gebet“ den Lernenden nicht un-
mittelbar erfahrbar ist und nur indirekt, in „gebrochener“ Form vermittelt
werden kann (vgl. Meyer 2019, 214–216). Das Verkosten von Hostien würde
für das Verstehen von Sinn und Bedeutung des Abendmahls wenig bringen.
Nichtchristliche Schüler:innen müssten schon eine gottesdienstliche Feier
Lernen durch Verkosten von Speisen als
„Begegnung mit Zeugnissen anderer Religionen“
9 Meyer 1999, 264 u. ö., spricht
von „Zeug-nis“, um deutlich zu
machen, dass dieses nicht nur von
einem Glauben zeugt, sondern für
die Glaubenden auch Werk-zeug für
den Umgang mit dem Transzen-
denten ist (vgl. Meyer 2019, 216f.),
d. h. in einem Kontext von religiöser
Erfahrung und religiösem Gebrauch
steht.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven