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Isabelle Jonveaux | Transfers des Fastens
Hat die Abstinenz von Essen in der klösterlichen Askese wirklich ihre Be-
deutung verloren? Was ist die Funktion der neuen Formen des Fastens, die
sich in der säkularen Gesellschaft oder im Rahmen neuer Spiritualitäten
entwickeln? Welche Übertragungen des Fastens lassen sich schließlich von
den Klöstern auf die säkulare Gesellschaft und umgekehrt beobachten?
Dieser Beitrag basiert zum einen auf Feldstudien, die in katholischen Klös-
tern in Österreich und Frankreich2 in Form von halbstrukturierten Inter-
views mit Mönchen und Nonnen verschiedener Generationen und mit
unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Gemeinschaft durchgeführt
wurden. Zum anderen stützt er sich auf Erhebungen zum Heilfasten, u. a.
bei Fasten- und Wanderwochen, und auf Interviews mit Einzelpersonen,
die das Buchinger-Lützner-Fasten praktizieren.3 Ich habe mich hier auf
die Untersuchung von Fastenpraktiken beschränkt, die die spirituelle Di-
mension integrieren – wie von Buchinger angedacht – und die nicht aus
rein therapeutischen oder gewichtsreduzierenden Gründen durchgeführt
werden. Zudem konzentriere ich mich hier auf jene Fastenpraxis, die sich
zu einem christlichen Ursprung bekennt, und gehe nicht auf andere, ho-
listische Fastenpraktiken ein, die vor allem aus östlichen Spiritualitäten
stammen.
Nach der Analyse des Rückgangs bestimmter Formen des Fastens im ka-
tholischen Klosterleben und vor allem seiner Neudefinition werde ich dar-
stellen, inwieweit die neuen Formen des Fastens zu spirituellen Zwecken,
insbesondere das Heilfasten nach Buchinger-Lützner, vom monastischen
Erbe inspiriert sind oder sich davon abheben. Schließlich wird die Rückkehr
des Fastens in die klösterliche Sphäre, angestoßen durch diese neuen, dem
ganzheitlichen Milieu zuzurechnenden Formen des Fastens, hinterfragt.
1 Fasten im Kloster
Um die Transfers des Fastens zu untersuchen, ist es nötig, dort zu begin-
nen, wo diese Praxis in katholischen Gesellschaften entstand: in den Klös-
tern. Dabei beziehe ich mich ausdrücklich auf monastische Gemeinschaf-
ten und nicht auf apostolische Gemeinschaften.
2 Im Rahmen des FWF Lise-Meit-
ner-Projekts M 1271-G15, „As-
ceticism in modern monasticism:
changing religious body“.
3 Im Rahmen des FWF Elise-Rich-
ter-Projekts V304- V15, „Aspiration
to the simple life“.
Neue Formen des Fastens in der säkularen Gesellschaft
und im Rahmen neuer Spiritualitäten
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven