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Isabelle Jonveaux | Transfers des Fastens
Woche reduziert: mittwochs, freitags und manchmal montags, die Fasten-
tage nach dem heiligen Benedikt. Diese Lockerung einer explizit von Be-
nedikt geäußerten Regel bezüglich der Ernährung mag mitverantwortlich
sein für den Eindruck der Mönche und Nonnen, sie würden nicht fasten.
Bestimmte Zeiten des liturgischen Jahres sind auch in der klösterlichen
Tradition mehr vom Fasten geprägt als andere, vor allem die Große Fas-
tenzeit vor Ostern, aber auch die Kleine Fastenzeit, die vor dem September
beginnt und nach einer Unterbrechung mit dem Advent weitergeht. Einige
Klöster, wie z. B. La Pierre-qui-Vire in Frankreich, leben von September bis
Ostern weiterhin eine immer strengere Askese, insbesondere wird ab Sep-
tember auf Milchprodukte verzichtet.
Neudefinition des Fastens
Ein erster Grund für den Rückgang des Fastens in klösterlichen Gemein-
schaften hängt mit ihrer demographischen Entwicklung zusammen. Viele
Klostergemeinschaften in Mittel- und Westeuropa haben heute ein Durch-
schnittsalter von über siebzig Jahren, darunter z. B. alle Frauengemein-
schaften, die der österreichischen Benediktinerkongregation angeschlos-
sen sind. Das führt zu Anpassungen der Askese und insbesondere des Fas-
tens. Ein belgischer Benediktiner erklärt:
„Die Askese ist auf fast nichts reduziert. Erstens ist die Hälfte der Gemein-
de sehr alt, sie muss gepflegt werden, also was Essen und Heizen angeht,
ist sie recht spießig. Dies ist keine Kritik, sondern eine Tatsache. […] Das
Essen ist nicht luxuriös, aber wir haben trotzdem einen guten Herd. Fas-
ten, Fastenzeit, ich glaube, das gibt es praktisch nicht.“ (04.2014)
Parallel zum Eindruck des Verschwindens des Fastens können neue Arten
von Praktiken und Bedeutungsverschiebungen beobachtet werden. Bei-
spielsweise definieren einige Mönche und Nonnen den Verzicht auf Fleisch
in ökologischer Hinsicht neu, um die CO2-Produktion zu reduzieren. Ein
Mönch des Benediktinerstifts Seitenstetten erklärt:
„Also, das ist, wir sind keine Vegetarier normalerweise, aber ein biss-
chen Respekt, dass man nicht alles … das ist auch ein bisschen wieder
ökologisch bedenkt. Sag einmal, für ein Kilo Fleisch, man braucht so viel
Neue Praktiken und Bedeutungsverschiebungen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven