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Isabelle Jonveaux | Transfers des Fastens
Totales Fasten: Wovon fastet man wirklich?
Das traditionelle selektive klösterliche Fasten basiert auf Vorstellungen,
die mit bestimmten Nahrungsmitteln verbunden sind, insbesondere mit
Fleisch, das nicht nur teuer ist, sondern auch beschuldigt wird, die Feuer
der Lust zu entfachen. Was aber ist beim Buchinger-Fasten erlaubt oder
nicht erlaubt? Dieses Fasten definiert sich zunächst als echtes Fasten in
dem Sinn, dass keine festen Nahrungsmittel erlaubt sind, sondern nur Tee,
Gemüse- oder Fruchtsäfte (ohne Zuckerzusatz) und Gemüsebrühe (ohne
Salz und Gewürze). Der/die Fastende müsse mehr Flüssigkeit zu sich neh-
men, damit die Reinigung des Körpers aktiviert werde. Hier finden wir den
Topos des „reinigenden Wassers“ in der Anthropologie: „Water, the uni-
versal cleaner, is the most widely employed means of ritual purification
[…]. The flow of water determines its purificatory efficacy“ (Preston 1987,
7507).
Dies bedeutet aber nicht, dass von den Fastenden alle Tees, alle Arten von
Gemüsebrühe oder Wasser akzeptiert werden. Was das Wasser betrifft,
kann man z. B. in der Facebook-Gruppe Fasten/Heilfasten eine Diskussion
darüber lesen, welches Wasser am besten für das Fasten geeignet wäre. Ein
Mann kommentiert:
„Es gibt kein einziges Wasser im Geschäft, was gut ist. Keins. Traurig aber
wahr. Was ich dir empfehlen kann ist, dass du in ein Reformhaus gehst
und nach Wasser aus einer Quelle fragst, […] am besten aus einer artesi-
schen Quelle. Sag dann einfach, dass du Fasten möchtest und dazu gutes
Wasser benötigst. Rate jeden [sic] sich einen vernünftigen Wasserfilter
zu besorgen, mit einer richtigen Osmose-Umkehranlage. Und informiert
euch über Wasser, das ist ganz wichtig.“ (Facebook, 12.10.2016)
Laut diesem Zitat wäre das reinste Wasser nur in bestimmten Bioläden und
nach Aufbereitung durch bestimmte Filter erhältlich. Leitungswasser wird
nicht erwähnt, was bedeutet, dass kommerzielles Wasser als natürlicher
anerkannt wird. Ein beliebiges Wasser wäre „unrein“ oder zumindest nicht
rein genug, um für das Fasten akzeptiert werden zu können. Es wird also
eine Grenze zwischen „reinen“ und „unreinen“ Lebensmitteln gezogen.
Eines der Kriterien dafür ist der regionale Ursprung. In Unterlagen für eine
Fastenwanderwoche in Österreich kann man z. B. lesen:
Eine Grenze zwischen „reinen“ und „unreinen“ Lebensmitteln
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven