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Michael Aldrian | Ahara – Nahrung
Für den stofflichen Anteil der Nahrung gibt es sowohl ernährungsphysiolo-
gische Erklärungen (Nährwert, Inhaltsstoffe, ergänzende und widerstrei-
tende chemische und physikalische Prozesse), als auch erfahrungsbasierte
Urteile (sieht „gut“ aus, riecht „gut“, schmeckt „gut“), als auch medizini-
sche Gründe (magenschonend, stärkend ...).6 Nicht nur in den asiatischen
Traditionen wird Nahrung entweder nach ihrer Herkunft und Konsistenz
(tierisch, pflanzlich, flüssig, fest …) oder nach ihrer Wirkung (heilende
Nahrung, verdorbene Nahrung, den Humoren entsprechende oder wider-
sprechende Nahrung) zugeordnet. Allerdings hielt sich im Kontext der tra-
ditionellen chinesischen, tibetischen oder indischen (vedischen) Medizin
dieser erfahrungsbasierte Zugang bis in die Gegenwart, während die tra-
ditionelle europäische Medizin deutlich weniger Einfluss auf die Ernäh-
rungsgewohnheiten ausübt.
Die strenge Askese des Buddha
Es wird berichtet, dass Siddhartha Gautama, als er seinen Weg zum Er-
wachen antrat, zunächst mit strenger Askese begann. Diese strenge Übung
reichte bis zum Nahrungsverzicht, einer verbreiteten Praxis unter den
Brahmanischen Sramanas (Wanderasketen) jener Zeit.7
Der Bodhisattva kam allerdings nach einiger Zeit zu dem Schluss, dass bei
Fortführung dieser Praxis sein Leben bald verbraucht sein würde, der Er-
kenntnisgewinn aber gering bliebe. Daher brach er diese Form der Übung
ab und nahm die ihm dargereichte Nahrung wieder an. Auf dem Weg von
seinem Meditationsplatz zum nahegelegenen Wasser brach der Bodhisatt-
va aus Entkräftung zusammen und ein Mädchen aus dem Dorf, das gerade
Opfergaben aus Reis, Milch und Obst zu den Opferplätzen für die lokalen
Götter im Wald brachte, fand den Ohnmächtigen und gab ihm etwas von
den Opfergaben (vgl. Thich 1995, 21). Seine Begleiter, strenge Wanderas-
keten, von denen es zu jener Zeit unterschiedliche Gruppen gab, bezich-
tigten ihn daraufhin des Unterbrechens der Übung und der Rückkehr zur
„Völlerei“.
Mit dem Argument einem Weg „frei von Extremen“ folgen zu wollen, ver-
ließ der Bodhisattva daraufhin die Asketengemeinschaft und fand schließ-
lich in mehrtägiger Meditation, durch Almosen von Menschen aus dem
nahen Dorf unterstützt, den Mittleren Weg (madhyama-pratipad), frei von
6 „[…] certain foods possess ali-
mentary properties, contrasted
on the polarity between ‘coarse’
(lūkha) and ‘sumptuous’ (paṇīta), in
which the latter type is construed as
therapeutic and corporally fortify-
ing.“ (Fiorucci 2019, 42)
7 „The forest hermit differs from
the peripatetic ascetic in the fact
that he typically subsists on uncul-
tivated food gleaned from the wild
such as fruits, roots, leaves, and
vegetables, thus eating only food
unmediated by culture.“ (Fiorucci
2019, 31) Der Mittlere Weg, frei von Extremen
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven