Seite - 191 - in Limina - Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
Bild der Seite - 191 -
Text der Seite - 191 -
189 | www.limina-graz.eu
Michael Aldrian | Ahara – Nahrung
Die Gabe ist aber zugleich eine Tat (karma) und zwar eine positive oder
heilsame Tat, die wiederum positives oder heilsames Karma zur Folge hat.
Somit wird hier die alte Tradition des Opferns unter anderen Vorzeichen
fortgesetzt, zur Grundlegung des eigenen spirituellen Fortschritts, aber
diesmal nicht mit fremder Hilfe (durch Götter) oder auf Kosten des Lebens
anderer Wesen (der Tiere), sondern im Bewusstsein der eigenen Tat und im
Vertrauen auf die Auswirkungen einer solchen Tat. Ohne eigene Anstren-
gung hinsichtlich der Meditation und Achtsamkeit bleibt diese Handlung
allerdings ohne befriedigendes Ergebnis, denn ein wenig geschulter Geist
bekommt gar nicht mit, dass und inwiefern sich etwas am eigenen Ver-
ständnis geändert hätte.13
In den buddhistischen Traditionen nicht nur des Theravada waren und sind
zu bestimmten Zeiten (Vollmond, Vesakh …) gemeinsame Feste der Ordi-
nierten mit den Laien und Laiinnen üblich. Dabei kommen den Lai:innen
die Zubereitung der Nahrung und das Mitbringen von Opfergaben zu, wäh-
rend die Ordinierten den Segen spenden und das Ritual der geistigen Ver-
mehrung ausführen. Die tägliche Versorgung der Sangha, vor allem hier
im Westen, erfolgt durch die Laiinnen, die in den buddhistischen Zentren
das Essen für die Sangha vor Ort zubereiten und dann vor Mittag (bevor
die Sonne ihren Zenit erreicht) den Mönchen mit den entsprechenden Ge-
sängen und Rezitationen darbieten, die diese Devotion mit dem nötigen
Respekt annehmen. Deren Aufgabe ist allerdings, der Gemeinde auch in
der Fremde Halt und Zuversicht in Form der Lehre Buddhas zu vermitteln.
Danach erst teilen die Laiinnen den Rest der dargebrachten Speisen unter-
einander und auch mit anderen Gästen.14 Die Handlung des Zubereitens und
Darbringens ist die Praxis für die Laiinnen.
Dana, Großzügigkeit, erstreckt sich aber nicht nur auf die Sangha, sondern
auch auf alle Bedürftigen und speist sich aus Mitgefühl (karuna), der „Cari-
tas“ der Buddhist:innen. Das Leid der anderen zu mindern, vermittelt dop-
pelt Freude: für die Geber:innen und für die Beschenkten.
4 Bewusstsein als ursprünglicher Zustand von Geist und Körper
„Das Bewusstsein ernährt das Geistige und Körperliche im Augenblick
der Wiedergeburt.“ (Nyānatiloka 1999 [1952], 18)
13 „While bhikkhus/bhikkunīs
are expected to exhibit an excep-
tional degree of self-control, the
general ethic of careful diligence
(appamāda) and attentiveness
(sakkaccaṃ) is also a disposition
that pious lay persons are expected
to cultivate.“ (Fiorucci 2019, 77)
14 Das durfte ich als Vertreter der
Buddhistischen Religionsgesell-
schaft in Graz mehrfach erleben.
Die tägliche Versorgung der Sangha erfolgt durch die Laiinnen.
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven