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Kurt Remele | Ein Fisch namens Jesus
schlecht wechseln, und solche, die sowohl Eier als auch Samen produzie-
ren und sich somit selbst befruchten können. Was die Kinderbetreuung und
-aufzucht betrifft, so übernehmen übrigens die Väter die meiste Arbeit.
Was Fische denken und empfinden
Weit fataler als die Behauptung, Fische hätten kein Sexualleben, ist die
bis heute anzutreffende Auffassung, Fische seien unintelligente, emp-
findungslose Wesen, eine undifferenzierte Masse, die in Kilogramm und
Tonnen gewogen wird. Wahr ist vielmehr das Gegenteil: Was Erinnerungs-
und Empfindungsvermögen, Selbstbewusstsein und Erkenntnisfähigkeit
betrifft, stehen Fische den landlebenden Wirbeltieren in nichts nach. Fi-
sche können hören und erzeugen Töne, sie planen und kooperieren, sie
fürchten sich und empfinden Schmerz. Um nochmals Balcombe zu zitieren:
„Fische sind nicht bloß am Leben, sondern führen ein eigenes Leben. Sie
sind keine Sachen, sondern Lebewesen. Ein Fisch ist ein Individuum mit
Persönlichkeit und Beziehungen. Er oder sie kann planen und lernen,
wahrnehmen und Neues entdecken, andere trösten oder ihnen etwas
vortäuschen, Augenblicke des Vergnügens , der Angst, der Verspieltheit,
des Schmerzes und – wie ich vermute – der Freude erleben. Ein Fisch hat
Gefühle und Wissen. […] Ein Fisch hat eine Biografie, nicht bloß eine Bio-
logie.“ (Balcombe 2016b, 207; Balcombe 2016a, 8; Übersetzung K. R.)
Die falsche Annahme, dass Fische simple, gefühllose Kreaturen seien,
führte zur völligen Missachtung ihres Wohlergehens: Kein Wirbeltier
wurde und wird vom Menschen so ausgebeutet wie Fische. Fische, die mit
Schleppnetzen gefangen werden, landen auf den Schiffdecks, werden er-
drückt, ersticken oder werden ohne Betäubung entblutet, indem man ihnen
mit einem scharfen Messer die Kiemen aufschneidet. Jene, die aus größe-
rer Tiefe geholt werden, sterben qualvoll auf dem Weg an die Oberfläche,
weil ihre Körper die Druckveränderungen nicht aushalten. Die industrielle
Fischerei plündert die Ozeane, vernichtet die sich als „Beifang“ in Netzen
verstrickenden Delphine, Haie und Schildkröten, erzeugt unvorstellbares
Leid und richtet immense ökologische Schäden an (vgl. Balcombe 2016b,
211–229; Singer 2010; Fische 2015)
„Fische sind nicht bloß am Leben,
sondern führen ein eigenes Leben.“
Limina
Grazer theologische Perspektiven, Band 4:2
- Titel
- Limina
- Untertitel
- Grazer theologische Perspektiven
- Band
- 4:2
- Herausgeber
- Karl Franzens University Graz
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 4.0
- Abmessungen
- 21.4 x 30.1 cm
- Seiten
- 214
- Kategorien
- Zeitschriften LIMINA - Grazer theologische Perspektiven