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Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Naiver Realismus? Zur GegenstĂ€ndlichkeit des Sammelns    19 Daneben gibt es freilich eine zweite verbreitete Bedeutung des MaterialitĂ€tsbe- griffs, die sich eher auf die physische Begrenztheit bzw. physikalische QualitĂ€ten bezieht. Er hat sich z. B. in der Editionsphilologie durchgesetzt, in der Papierqua- litĂ€ten, Tintenflecke, Buchbindungen u. Ă€. eine Rolle spielen. Schon mit dem ersten Aufkommen des MaterialitĂ€tsbegriffs war die begriffliche Doppelung prĂ€sent. Im Kapitel „La MatĂ©rialitĂ© du Langage“ ihres theoretischen DebĂŒts iden- tifizierte Julia Kristeva die physische RealitĂ€t etwa der menschlichen Sprechwerk- zeuge ebenfalls als materialen Faktor, der freilich von der ihr viel wichtigeren MaterialitĂ€t auf der Ebene der Signifikation als sozialer Praxis unterschieden wurde – so wie auch das bedeutungstragende Lautbild vom bloßen GerĂ€usch („bruit concret“) verschieden ist (vgl. Joyaux 1969, 29–50). Die Wiederkehr des Realismusbegriffs sowie das Interesse an dieser zweiten Facette des MaterialitĂ€tsbegriffs gehören eng zusammen; sie lassen sich womög- lich von den materialgestĂŒtzten NeuansĂ€tzen in jenen Disziplinen herleiten, die wie z. B. in der Ethnologie vom Kulturbegriff und damit den Kulturwissenschaf- ten, d. h. nicht lĂ€nger vom Geistbegriff her argumentieren (siehe z. B. Hahn 2005). Zur Debatte steht in der kulturellen Materialisierung nichts weniger als der Abschied von Paradigmen der ReprĂ€sentation, die in der Semiotik des 20. Jahr- hunderts kulminierte.8 Der MaterialitĂ€tsdiskurs lĂ€sst sich dergestalt als Revanche eines entscheidenden VersĂ€umnisses schon in der Grundlegung der modernen Zeichentheorie bei Ferdinand de Saussure deuten. Das Zeichenmodell im Cours de linguistique gĂ©nĂ©rale war, anders als von den meisten Geisteswissenschaftlern angenommen, nicht binĂ€r, sondern ternĂ€r. Das Zeichen besteht hier nicht nur aus dem Bezeichneten und Bezeichnenden, sondern beide werden von einer „materi- ellen HĂŒlle“ (enveloppe matĂ©rielle) zusammengehalten, die also Teil des Zei- chens, aber selber nicht zeichenhaft ist. Der Indogermanist de Saussure stammte aus der junggrammatischen Schule, in der LautverĂ€nderungen als rein physikali- sche Prozesse studiert wurden, die naturwissenschaftlichen Gesetzen unterlagen. Von Bedeutungen waren sie völlig unabhĂ€ngig. Der Saussure des Cours versprach die KlĂ€rung der Frage, wie die VerĂ€nderungen der als autonom gedachten Töne im Lautwandel mit dem ĂŒbrigen Sprachwandel zusammenhĂ€ngt, welches VerhĂ€ltnis zwischen son und mot bestehe (vgl. Saussure 1996, 194, 197). Sein Trick bestand nun darin, die Lautung von seiner ReprĂ€sentation (dem Lautbild) zu unterschei- den, das den eigentlichen Zeichenbestandteil ausmacht (vgl. Saussure 1996, 98; ausfĂŒhrlicher JĂ€ger 1975; Benne 2018). Er versĂ€umte am Ende aber, die ‚materielle HĂŒlle‘ wieder in die Theorie zu integrieren. Im neueren Interesse an MaterialitĂ€t und Realismus verschafft sich die HĂŒlle des Zeichens erneut Geltung: einmal in 8  Dieser Abschnitt folgt Benne und Spoerhase (2019, 3–6).
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Logiken der Sammlung Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Titel
Logiken der Sammlung
Untertitel
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Autoren
Petra-Maria Dallinger
Georg Hofer
Verlag
De Gruyter Open Ltd
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 4.0
ISBN
978-3-11-069647-9
Abmessungen
15.5 x 23.0 cm
Seiten
202
Schlagwörter
Archiv, Nachlassinventar
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