Seite - 42 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
Bild der Seite - 42 -
Text der Seite - 42 -
42 Sabine Folie
zweifellos eine weitere Ebene der Reflexion, der Bewertung und Sondierung
angelegt, die über den reinen Werkcharakter eines abgeschlossenen Werks hin-
ausweisende Aspekte beinhaltet.
Wenn man so will, ist EXPORTs Arbeit aber auch selbst ein Geschichtsarchiv,
das Gegenmodell existierender Archive, der Versuch, Geschichte neu zu schrei-
ben, das hegemoniale Herrschaftsgefüge zu destabilisieren, das Archiv der
Geschichte zu dekonstruieren von festgefügten Identitätskonstruktionen, es zu
dekolonisieren. Ihr Archiv erzählt daher auch die Geschichte eines bürokrati-
schen Geschehens, der Apparate, die im Hintergrund wirken, und es gibt anderer-
seits Auskunft darüber, wie künstlerische Prozesse funktionieren, wie Einflüsse,
gefundenes Material, Literatur, technologische Entwicklungen auf Äußerungs-
formen einwirken.
Neben dem Fakt, dass VALIE EXPORT immer schon daran gelegen war, ihre
Denk- und Entwicklungsprozesse zu archivieren oder zumindest zu dokumentie-
ren, orientierte sich ihr Bestreben zunehmend dahin, ihr akribisch zusammenge-
tragenes Material einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen und
als Ausgangspunkt zur Erforschung der (feministischen) Performance- und Medi-
enkunst zur Disposition zu stellen – bezogen auf ihr Werk, aber auch auf diese
Felder allgemein.
Ihre dahingehenden rund sieben Jahre währenden Bemühungen, Überzeu-
gungsarbeit für die Errichtung eines international einmaligen Ein-Personen-
Archivs zu leisten, es an eine oder mehrere Institutionen anzubinden, waren
schließlich erfolgreich: 2015 hat die Stadt Linz den Vorlass der in Linz geborenen
Künstlerin gekauft und dem LENTOS Kunstmuseum überantwortet. In Koopera-
tion mit der Kunstuniversität Linz betrieben, ist in Folge im von Peter Behrens
und Alexander Popp geplanten historischen Bau der Tabakfabrik aus den 1930er-
Jahren im November 2017 das VALIE EXPORT Center Linz in eigenen Räumlich-
keiten eröffnet worden – als Archiv und als Forschungszentrum für Medien- und
Performancekunst. Die Stadt kommt für die Infrastruktur auf, die Universität für
Personal und Programm, und zusätzliche Drittmittel für u. a. Digitalisierung,
Sonder- und Forschungsprojekte müssen beschafft werden.
Seit der Eröffnung hat es neben der Einrichtung der Infrastruktur, den diver-
sen Kollaborationen, der fortlaufenden Digitalisierung und dem allgemeinen
Betrieb/Programm einige Präsentationen des Vorlasses gegeben, denen Überle-
gungen aus kuratorischer Perspektive zugrundeliegen, wie mit der Visualisierung
eines Archivs, das sich tendenziell einer musealen Präsentation widersetzt, im
Format der Ausstellung umgegangen werden kann. Dazu fanden bislang drei von
mir kuratierte Ausstellungen mit wechselnden Varianten von Displays und
Bezugsebenen zwischen Werk und Archiv statt: im LENTOS Kunstmuseum
(2017/2018), im Neuen Berliner Kunstverein (2018) und im VOX Centre de l’image
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik