Seite - 45 - in Logiken der Sammlung - Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
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Idiosynkrasie und Systematik in KĂŒnstlerInnenarchivenâ â
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einzelne Werke oder das Werk insgesamt um Erkenntnisse zu erweitern, die sich
oft aus dem fertig gestellten Werk allein nicht ergeben. Andererseits erweitern die
Skizzen und Konzepte, die nicht aus dem Archiv herausgetreten sind, die Wahr-
nehmung, stiften neue ZusammenhĂ€nge. Dabei gibt es natĂŒrlich kontinuierlich
auch das Problem der blinden Flecken, InformationslĂŒcken, Fragezeichen, das
VALIE EXPORT im Nachdenken ĂŒber das Archiv folgendermaĂen umschreibt:
âWas zwischen den einzelnen âDingenâ ist, ist Rauschen, Effekt TV, Information in
einem nichtspezifischen Frequenzspektrum wie es in der Physik ausgedrĂŒckt
wirdâ (zit. n. Winkelmayer 2016, 14); âWĂ€re auch interessant, die Themen, die
Vorstellungen, Ideen etc. so zu âuntersuchenâ, dass sich daraus auch BeschĂ€fti-
gungskurven ergebenâ (zit. n. Winkelmayer 2016, 14).
3â Idiosynkrasie und Systematik im Archiv von VALIE EXPORT
KĂŒnstlerInnenarchive gehorchen also anderen Gesetzen, als es landlĂ€ufige
Archive tun. Folgende Aussage EXPORTs belegt diesen Befund:
Ich habe den Vorteil gegenĂŒber dem Museum oder dieser Art von Sammlungen, dass ICH
immer ICH bin. Im Museum sammeln ja verschiedene IdentitĂ€ten â Direktor_innen, Aus-
wahlgremien, BeirĂ€t_innen â, die dann ihre Interessen vertreten und vielleicht gar nicht so
sehr den Archivbegriff in sich tragen. Das kann bei meinem Archiv nicht passieren, weil ich
immer diejenige bin, die auswÀhlt und die die ZusammenhÀnge schafft bzw. die Zusammen-
hĂ€nge darstellt, âvisuelle Strukturenâ schafft. (Zit. n. Winkelmayer 2016, 6)
Insofern kann man davon sprechen, dass diese Archive und auch VALIE EXPORTs
Archiv einer idiosynkratischen Ordnung folgt, was impliziert, dass es eine eigene
Ordnung ist.
Daraus folgt: Man kann von einer Logik der Sammlung der âBestandsbildne-
rinâ versus einer Logik der Systematisierung des Archivs als bewahrender EntitĂ€t
sprechen, wobei letztere, die Systematisierung, im Zuge der ErschlieĂung des
Bestands fĂŒr die Beforschung eine Notwendigkeit darstellt. Viele Schritte sind
notwendig: Digitalisieren, Ablegen, Systematik erstellen und Signaturen verge-
ben, Findbuch erstellen, Beforschen, Zeigen (Ausstellen).
Es handelt sich in gewisser Weise um gegenlÀufige Logiken: Jene idio syn-
kratische Ord nung mit all den EigentĂŒmlichkeiten, Auswahlverfahren, geleite-
ten Interessen, die aber nicht durchgÀngig in der Systematik der Ablage und
Archivierung nachvollziehbar ist, steht der Notwendigkeit und âLogikâ gegen-
ĂŒber (1) Dinge zu finden/abzulegen (ZusammenhĂ€nge zu erstellen, Systematik zu
erstellen) und (2) sie zu lesen, zu interpretieren, zusammenzufĂŒhren, was even-
tuell auseinandergerissen wurde oder aus der historischen Perspektive aufgrund
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik