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84 Mario Huber
(seit 1995) oder dem Wiener Kleinkunstnagel (seit 1996), die seit mehreren Jahr-
zehnten bestehen, kamen u. a. der Herkules in Klagenfurt (seit 2007), die Ennser
Kleinkunstkartoffel (seit 2008), der Schmähterling in Bruck an der Leitha (seit
2008), der Salzburger Sprössling (seit 2015), die Kabaretttalenteshow der Casinos
Austria (seit 2015), die Hietzinger Kabarettkrone (2016), das Junge Gemüse in
Groß-Enzersdorf (2018) oder der Waidhofner Kabarettpreis (2018). Manche dieser
Publikums- und/oder Jurypreise sind auch schon wieder verschwunden. Das
Renommee für die Gewinnerinnen und Gewinner ist dementsprechend meist
ebenfalls gering; auch weil den meist nur regional beworbenen Wettbewerben
keine oder nur geringe mediale Aufmerksamkeit zu Teil wird. Die Entwicklung,
Kabarettistinnen und Kabarettisten vermehrt gegeneinander antreten zu lassen,
deutet darauf hin, dass, abgesehen von der Kultivierung eines bestimmten
Könnens und Wissens,20 der Eingang in das Feld expliziter normiert wird (vgl.
Alkemeyer 2013, 60). Dies ist mit bereits angedeuteten impliziten Handlungswei-
sen verknüpft, die regelhaftes und regelwidriges Verhalten sanktionieren (vgl.
Alkemeyer 2013, 58): Das Publikum entscheidet schließlich in den meisten Fällen
über die Vergabe des Preises. Zudem bedeutet die Wettkampfsituation ein Wech-
selspiel von Aner
kennung und Adressierung, die bestimmte (Distinktions-)Prak-
tiken erst herausbildet (vgl. Alkemeyer 2013, 63): Es gibt neue, bestimmte drama-
turgische Abläufe, die auf 10, 20 oder 30 Minuten, je nach Wettkampfvorgabe,
abgestimmt sind. Ebenfalls setzen die einzelnen Bewerbe Bewerbungsmateria-
len, inklusive Video
aufzeichnungen, Programmabriss und oft auch professio-
nelle Fotografien voraus.
Wie weit die Wettkampfsituation mit einem „Import“ aus dem Bereich des
„poetry slam“ zusammenhängt, mit dem es in den letzten Jahren immer größer
werdende Überlappungen gibt, kann nur vermutet werden. Auffällig ist aber,
dass viele der Gewinnerinnen und Gewinner von Kabarettpreisen aus dem Slam-
Bereich kommen, z. B. Paul Pizzera, Lisa Eckhardt oder Manuel Thalhammer.
Die Wettkampfsituation ist in diesem Bereich immanent. Die Frage nach einer
Po
sition im sozialen Feld ist an immer mehr Voraussetzungen und Distinktionen
geknüpft. Der Wettbewerb ist eine mögliche Eingangsbedingung in das Feld, mit
der Konsequenz, dass überhaupt ein Management oder eine Booking-Agentur
kontaktiert werden kann. Mit der starken Vermehrung der Wettbewerbe und dem
dargestellten, reziproken Effekt des geringen Prestiges der Preise verschwin det
aber diese Funktion mehr und mehr, wie sich auch an der besagten medialen
20 Dies ist auch im Sinne der erwähnten Schauspielausbildung, des Beherrschens von Instru-
menten oder dem Einsatz von weiteren künstlerischen Medien und Formen, wie z. B. der Karika-
tur und Zeichnung durch den Kleinkunstvogel-Gewinner Micha Marx, zu sehen.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik