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Der eine kommt ins Archiv, der andere kommt nicht ins Archiv
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Nichtbeachtung ablesen lässt.21 Ähnlichkeiten sind natürlich in anderen Kunst-
sparten, wie der Literatur oder der Musik, zu finden. Im Zusammenhang mit dem
ÖKA bedeutet trotz der sich verändernden Situation der Wettkampfsieg in vielen
Fällen die Erst-Aufnahme in die Sammlungen, da ab diesem Zeitpunkt z. B. die
Zeitungsberichterstattung, also ein textuelles, diskursives Moment, beginnt.22
Betrachtet man im Sinne der diskursiven Dimension der Bibliothek im ÖKA,
die, neben den Zeitungsberichtsammlung, selbstverständlich auch medien-
historisch begründbar, die beste Dokumentation von über 100 Jahren Kabarettge-
schichte in Österreich darstellt, fällt auf, dass die Buch-Publikationen das Kabarett
nur am Rande berühren. Kabaretttexte werden in der Regel nicht veröffentlicht.
Natürlich gibt es viele (Auto-)Biografien von Beteiligten, die dann auch teilweise
Textausschnitte aus unterschiedlichen Programmen oder kurze historische
Abrisse zu bestimmten Stationen des Wirkens präsentieren.23 In erster Linie
handelt es sich dabei um Schauspielerbiografien. Auch stellt in Nachschlagewer-
ken „Kabarettistin“ oder „Kabarettist“, nicht nur bei den bisher Genannten,
zumeist nur eine Berufsbezeichnung unter vielen dar. Aber der Großteil der im
Archiv gesammelten Publikationen stellt überhaupt eine andere künstlerische
Rolle der jeweiligen Künstlerin oder des jeweiligen Künstlers vor. Da wären z. B.
die Gedichte von Otto Grünmandl und Georg Kreisler, die Romane von Ludwig
Müller und Dirk Stermann oder die gesammelten Kolumnen von Alfred Dorfer
und Thomas Maurer. Zudem ist es gerade auch das Anliegen vieler Autorinnen
und Autoren, einmal nicht auf die Kabarettbühne reduziert zu werden. Die Kaba-
rettistinnen und Kabarettisten sind auch „Autorinnen“ und „Autoren“; selbst
wenn das ÖKA sich bei der Sammlung von Büchern auf satirische und im kultu-
rellen Zusammenhang mit dem Kabarett zu sehende Publikationen beschränkt.
Der Diskurs über die bestimmte Subjektform nimmt also eine bestimmte Form an,
21 Größere Aufmerksamkeit erregen nur noch Ausnahmen, wenn z. B. die Ennser Kleinkunst-
kartoffel nach zehnjährigem Bestehen erstmals von einer Frau gewonnen wird – was dann aber
wiederum medial nur zu einem weiteren Unterpunkt in der Schilderung der Unterrepräsentation
von Frauen in der Kabarettszene wird (vgl. Walisch 2018).
22 Die Kabarettistinnen und Kabarettisten sind durch die beschriebene Selbstinszenierung, die
bereits vor dem Eintritt in das „eigentliche“ Feld notwendig wird, in der Folge auch lange Zeit (be-
züglich ihrer selbst) diskursbestimmend: Die meisten ersten Berichterstattungen, selbst bei erfolg-
reichen Teilnahmen, sind Paraphrasen des selbstverfassen Promo-Materials. In diesem Zusam-
menhang wäre gerade im Bereich des Kabaretts ein Blick auf die Homepages der Künstlerinnen
und Künstler von großem Interesse (vgl. für Autorenhomepages: Giacomuzzi 2017, Sporer 2017).
23 Hierzu zählen u. a. in loser Folge jene von Leon Askin (1998), Georg Kreisler (Fink und Seufert
2005), Louise Martini (1998), Elfriede Ott (2005), Peter Wehle (1983) oder Werner Schneyder (2006).
Einige dieser Texte entstanden auch unter Beteiligung von Georg Markus, einem Friedrich-Torberg-
Fortschreiber sowie insgesamt Kenner und Mitverfasser der österreichischen Kabarettgeschichte.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik