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88 Mario Huber
an der performance festzumachen sind und sowohl körperliche und mediale als
auch Formen und Praktiken der Interaktion mit dem Publikum und mit sich selbst
umfassen. Andererseits lassen sich durch die künstlerischen und ökonomischen
Aspekte der mit dem Kabarett verbundenen Subjektkultur Vermarktungen der
eigenen, meist männlichen Person feststellen, die sich in Wettkampf
situationen
oder Werbematerialen inklusive einer damit einhergehenden Selbststilisierung
äußern.
Zudem zeigen die Archivbestände des ÖKA, dass die Bezeichnung „Kabaret-
tistin“ oder „Kabarettist“, wenn denn Materialien zu den jeweiligen Künstlern
vorhanden sind, in der Regel mit weiteren Rollenzuschreibungen verbunden
sind. Erst in den letzten Jahrzehnten, in denen die audiovisuelle Aufzeichnung
als vermarktbar erkannt wurde, gibt es (theoretisch) für das Archiv erst „reine“
Kabarettkünstler, könnte man kontrovers behaupten. Dabei bedeutet diese Auf-
zeichnung, wie dargestellt, wiederum eine Verkürzung und eine Kompilation von
längeren Zeiträumen, die unter einem bestimmten Programmtitel bespielt werden.
Auch zeigt der Durchgang durch die Sammlung, dass viele Bereiche bereits
jetzt nicht sammelbar sind oder in naher Zukunft nicht mehr sammelbar sein
werden. Die beschriebene Wettkampfsituation ist hierfür ebenso ein Beispiel wie
die sich ständig ändernde Medienlandschaft. Social Media sind z. B. für das ÖKA
nur insofern relevant, wenn diese von konventionellen Massenmedien aufgegrif-
fen werden. Je mehr sich die Promotion von Kabarettveranstaltungen ins Internet
verlagert – z. Β. Kabarettistinnen- und Kabarettisten-Homepages, YouTube-
Kanäle, Facebook-, Twitter- und Instagram-Postings etc. –, desto weniger Mate-
rial lässt sich sammeln und desto „werkloser“ wird das Kabarett insgesamt.
Gerade die Praktiken der Ausführenden in diesen Kommunikationsformen und
Selbstpräsentationen wären aber nicht nur höchst relevant im Sinne der gewähl-
ten Zugangsweise, sondern diese Materialen bieten manchmal tatsächlich den
einzigen Nachweis von unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern. Der pra-
xeologische Zugang bietet, wie gezeigt werden konnte, viel Potenzial für die chro-
nisch unterforschte Kunstform Kabarett. Die hier aufgezeigten Möglichkeiten
sollen in diesem Sinn als Anregung für weitere Arbeiten verstanden werden. So
bieten sich z. B. die Interaktionen zwischen den Künstlerinnen/Künstlern und
dem Publikum, die Selbstdarstellungen in Interviews, eine genaue Beschreibung
der unterschiedlichen Betätigungsfelder oder ein Blick auf die eingesetzten
Requisiten oder Musikalien als Anschlussüberlegungen an.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik