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Stephan Gaisbauer
Die Konservierung der Töne.
Ein Archiv für gesprochene Sprache
Im Rahmen einer Publikation, die vornehmlich Archiven und Sammlungen lite-
rarischer Texte oder bildkünstlerischer Werke gewidmet ist, mag die Präsentation
eines Archivs für gesprochene Sprache vielleicht peripher oder gar exotisch
wirken. Die Besonderheiten eines solchen Archivs ergeben sich nicht nur aus den
spezifischen Kategorien von Medialität und Materialität, sondern auch aufgrund
praktischer Fragen wie der Handhabung von Primär- und Metadaten, der Tran-
skription und Annotation von Gesprächsdaten oder der archivtauglichen Lang-
zeitsicherung. Da allerdings der Anteil digitaler Medien in allen Arten von Archi-
ven ständig zunimmt, werden kategorielle Unterschiede zwischen den klassischen
Literatur- und Kunstarchiven und den Ton- und Filmarchiven zunehmend gerin-
ger werden.
Als bescheidenes Beispiel eines Audio-Archivs soll im Folgenden das
OÖ. Spracharchiv vorgestellt werden, das im Adalbert-Stifter-Institut des Landes
Oberösterreich angesiedelt ist und neben schriftlichen Quellen zu den Dialekten
des Landes vor allem Tondokumente beherbergt. Geführt und bestückt wird das
Archiv von der hausinternen Einrichtung OÖ. Sprachforschung, die sich der
Erforschung, Dokumentation und Beschreibung oberösterreichischer Sprachva-
rietäten in ihren vielfältigen regionalen, sozialen und medialen Erscheinungsfor-
men widmet.
Das OÖ. Spracharchiv kann es hinsichtlich Alter und Bedeutung, Umfang
und Erschließungsgrad natürlich keineswegs mit anderen traditionsreichen
Spracharchiven – etwa dem „Archiv für gesprochenes Deutsch“ in Mannheim
(vgl. Schmidt 2017) – aufnehmen: Es ist erst rund 25 Jahre alt, sein Sammel-
schwerpunkt sind die regionalen Sprachvarietäten eines Bundeslandes, die
inhaltliche Erschließung ist bislang nur ansatzweise erfolgt, eine (Online-)Publi-
kation der Tondokumente liegt noch in weiter Ferne. Von seiner Genese her ist
das OÖ. Spracharchiv auch nicht das Ergebnis einer systematischen Sammeltätig-
keit oder eines zielgerichteten Konzepts, sondern gleichsam nur Nebenprodukt
des größeren Projektes Sprachatlas von Oberösterreich (SAO), bei dem neben den
schriftlichen Aufzeichnungen an jedem Erhebungsort zusätzlich Tonaufnahmen
eines oder mehrerer freier Gespräche gemacht wurden. Mit den Audio-Kassetten,
Tonbändern und DAT-Kassetten, die pro Gemeinde etwa zwischen 30 und 60
Minuten freie Erzählungen enthalten, wurde im Jahr 1995 ein kleines Audio-
Archiv eingerichtet. Seither wurden die Materialien kontinuierlich vermehrt,
sodass der Bestand an eigenen Tondokumenten gegenwärtig immerhin rund
Open Access. © 2020 Stephan Gaisbauer, publiziert von De Gruyter. Dieses Werk ist
lizenziert unter der Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 Lizenz.
https://doi.org/10.1515/9783110696479-008
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik