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148 Joachim Förster
‚eingefroren‘. Abgesehen von partiellen Aktenvernichtungen in der Schlussphase
durch MfS-Mitarbeiter1 wurden die Hinterlassenschaften der Stasi weitgehend
gesichert und geschlossen übernommen. Die Nutzbarmachung und zeitnahe Zur-
verfügungstellung dieses sensiblen und intransparent geordneten, geschlosse-
nen Bestandes, verbunden mit einem Informationsauftrag, wurde zur besonde-
ren Aufgabe der hierfür gebildeten Stasi-Unterlagen-Behörde unter Leitung eines
vom Bundestag gewählten Beauftragten.
Das Verständnis für die Bedingungen der Nutzung von Stasi-Unterlagen und
damit zusammenhängender Rechtsprobleme ist ohne Vergegenwärtigung der
Umstände ihrer Entstehung wie auch ihrer Öffnung nicht möglich.
2
Die Sammlung
Das MfS war Geheimdienst, Ermittlungsorgan mit exekutiven Befugnissen und
vor allem Geheimpolizei. Deren Aufgabe war es nach dem Motto Mielkes („Wir
müssen alles wissen“), Informationen zu allem und jedem zu sammeln, der auch
nur ansatzweise oder potenziell das Risiko darstellte, das herrschende Regime
in Frage zu stellen. Mit einem gigantischen Überwachungsapparat von zuletzt
91.000 Hauptamtlichen und ca. 180.000 IM durchdrang die Stasi praktisch alle
Gesellschaftsbereiche, um „feindlich-negative“ Kräfte aufzuspüren und zu be-
kämpfen (zum MfS allgemein vgl. Gieseke 2006; Gieseke 2007; Kowalzcuk 2013).
Hierin lag auch ein Grund, warum die Stasi, die ja ihrerseits nicht eigenstän-
diger Akteur, sondern Herrschaftsinstrument der Sozialistischen Einheitspartei
SED („Schild und Schwert der Partei“) war, für viele ein Symbol der Unfreiheit,
Intransparenz und staatlichen Willkür darstellte, das in besonderer Weise das
Gefühl von Ausgeliefertsein und Machtlosigkeit vermittelte. So geriet sie in beson-
derer Weise in den Fokus der friedlichen Revolution wie auch bei der späteren
Aufarbeitung der SED-Diktatur.
Hauptwaffe des MfS war der IM (vgl. Müller-Enbergs 2001, 2008, 2010).2 Neben
die IM-Berichte traten als Informationsquellen Observationen, Foto- und Video-
überwachungen, Postkontrollen und Abhörmaßnahmen auf (vgl. Kowalczuk 2016).3
1
Eine offizielle Aktenvernichtung fand mit Billigung des sog. Runden Tisches im Rahmen der
beschlossenen Selbstauflösung der Hauptverwaltung A (Auslandsspionage) noch im Februar
1990 statt.
2
Zur Arbeit der IM vgl. die „Grundsatzdokumente“ auf der Website des BStU, v. a. die Richtlinie
1/76 des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS 1976).
3
Zuständig für die DDR war die Abt. 26 des MfS.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik