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184 Johannes John
dichterischen Werks von den Studien über die Bunten Steine bis zum Nachsommer
enthielt, im wahrsten Sinne des Wortes auf den Markt gekommen, was gleicher-
maßen „von der Fachwelt wie von der Presse als Sensation empfunden“ (Moisy
2014, 49) wurde. Sie stammten aus dem Besitz des passionierten Sammlers
Salman Schocken (1877–1959), dessen Nachfahren diese Bestände dem Hambur-
ger Auktionshaus Dr.
Ernst Hauswedell zur Versteigerung anvertraut hatten.
Empfand sich nun – aus naheliegenden Gründen – Linz, und damit als
Financier der Staat Österreich als legitimer Anwärter auf diese der Forschung
reichstes Neuland eröffnenden Materialien, trat für die Öffentlichkeit möglicher-
weise unerwartet10 mit dem Freistaat Bayern nun auch ein Konkurrent auf den
Plan, der es der Münchner Staatsbibliothek schließlich ermöglichte, in einer
„erbitterten Steigerungsschlacht“11 das Tafelsilber des Konvoluts zu dem für
damalige Verhältnisse sensationellen Endpreis von 625.000 DM, mithin dem
Vierfachen des ausgerufenen Schätzpreises von 156.600 DM, in ihren Besitz zu
bringen. Das Pressecho (vgl. exemplarisch Abb. 4 im Anschluss an den Beitrag)
war immens, die Verbitterung auf österreichischer Seite ebenfalls, wie sich ins-
besondere einer offiziellen Presseerklärung des Stifter-Instituts – veröffentlicht
in seiner Vierteljahrsschrift 1965 mit der Absicht, „offenkundige Falschmeldun-
gen nicht zur ,historischen Wahrheit‘ werden zu lassen“ (Adalbert-Stifter-Institut
des Landes Oberösterreich 1965, 142)12 – entnehmen ließ, wo auch die logistischen
Umstände während der Auktion selbst detailliert nachgezeichnet und als unfair
gebrandmarkt wurden, hatte sich der bayerische Vertreter doch nicht wie der
Linzer Konkurrent auf den Ehrenplätzen in den beiden ersten Reihen, sondern
vielmehr in der Tiefe des Raumes platziert, was auktionsstrategisch freilich
immer von Vorteil ist, da man so – fußballterminologisch formuliert – das Spiel-
feld in seiner ganzen Länge und Breite vor sich liegen hat:
Die ersten zwei Sitzreihen waren für die Hauptinteressenten reserviert. Der Vertreter von
Linz waren der Meinung, er würde während der Auktion den Vertreter Münchens kennen-
lernen. Leider mußte er feststellen, daß sein Konkurrent gar nicht in den vordersten Sitzrei-
10 Wie dessen Presseerklärung zu entnehmen ist, war das Stifter-Institut bereits vorab infor-
miert, „daß die Bayerische Staatsbibliothek die Handschriften unter allen Umständen und mit
höchstem finanziellem Einsatz erwerben wollte“ (Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberöster-
reich 1965, 140).
11
So die Sudetenpost. Offizielles Organ der Sudetendeutschen Landsmannschaft in Österreich
am 18. Dezember 1964. Die Überschrift Drei Millionen für Stifter-Handschriften rechnet den Erlös
der Auktion – „Über eine halbe Million DM, dazu 15 Prozent Aufgeld …“ – in österreichische
Schillinge um.
12
Als Unterzeichner firmiert „das Adalbert Stifter-Institut des Landes Oberösterreich“, dem als
Leiter Aldemar Schiffkorn (1915–1987) vorstand.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik