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186 Johannes John
eher cum ira et studio gesprochen worden sein, blieb die österreichische Aus-
beute mit zwei Briefen und dem Manuskript der Studien-Mappe demgegenüber
doch unbestreitbar bescheiden.16
Für unsere Thematik relevant ist in jedem Fall der eminent politische Hinter-
grund jener Auseinandersetzung, erfolgte Erwerb wie Verbringung der noch
unerschlossenen Handschriften nach München doch ganz wesentlich, wenn
nicht ursächlich auf Initiative und Druck der dort angesiedelten sudetendeut-
schen Vertriebenenverbände, die mit dieser Aktion den ,Böhmerwalddichter‘
Adalbert Stifter gewissermaßen exemplarisch wenigstens nach Bayern ,heimho-
len‘ wollten, wie die Presseerklärung des Bayerischen Kultusministeriums auch
expressis verbis einräumt:
Das Land Bayern hat nach dem letzten Krieg die vertriebenen Deutschen aus dem Sudeten-
land aufgenommen und ihnen eine neue Heimat gegeben. Bayern leitet daraus das Recht
und die Pflicht ab, auch das kulturelle Erbe des Sudentenraums zu übernehmen und zu
pflegen. Es hat kein finanzielles Opfer gescheut, den Manuskripten Adalbert Stifters, des
Dichter des Böhmerwaldes, in seiner Staatsbibliothek eine neue bleibende Wohnstatt zu
breiten. (Zit. n. Herzogenberg 1965, 47)17
16 Nur ein kleiner Rest von Adalbert Stifter blieb für Linz, resümierten die Oberösterreichischen
Nachrichten in ihrer Überschrift am 1.
Dezember 1964.
17 Das Zitat stammt aus dem Munde von „Ministerialrat Karl Böck, jetzt Leiter der Ministerkanz-
lei des Bayerischen Kultusministeriums“ (Herzogenberg 1965, 47). Die Verlautbarung findet sich
auch in einer Presseerklärung der Bayerischen Staatsbibliothek vom Dezember 1964. Der Passus
von den ,Rechten und Pflichten‘ findet sich auch in einem für diese Auktion angefertigten Gut-
achten; darüber hinaus verzeichnet der Erwerbungsakt der Staatsbibliothek – wie ebenso das
„Sudetendeutsche Archiv“ – hierzu keine weiteren Unterlagen. – Von Herzogenberg (1921–2012),
1952–1986 Geschäftsführerin, nachfolgend bis 2008 Vorstandsmitglied des Münchner „Adalbert-
Stifter-Vereins“, leitete ihren Beitrag mit den Worten ein: „Dies ist geschehen! Wie Heiligtümer
wurden die vom Lande Bayern erworbenen Manuskripte Adalbert Stifters in der Bayerischen
Staatsbibliothek ausgestellt und mit diesen Blättern hebt eine neue Epoche der Stifterforschung
an, die ihren Schwerpunkt in München haben wird“ (Herzogenberg 1965, 46). Von vergleichbar
sakralem Tonfall der Adalbert Stifter in der Staatsbibliothek überschriebene Bericht über die Aus-
stellung in einem mit „hs“ gekennzeichneten Artikel der Bayerischen Staatszeitung vom 18. De-
zember 1964: „In einem stillen Kabinett im ersten Stock des Südflügels der Staatsbibliothek sind
die Kostbarkeiten nun bis Weihnachten, aufgeschlagen unter Glas, den Stifter-Freunden zur Be-
trachtung dargeboten. […] Es gibt kein Gedränge vor diesen Schaukästen, aber es ist ein stetiges
Kommen und Gehen, ein Still-sich-Niederbeugen, Bemühung, die Schriftzüge zu enträtseln, be-
glückte, halb unterdrückte Ausrufe, wenn ein Wort, ein Satz sich erschloß […].“ – Für hilfreiche
Auskünfte gilt in diesem Zusammenhang der Dank Ingrid Sauer vom Bayerischen Hauptstaats-
archiv sowie Maximilian Schreiber von der Bayerischen Staatsbibliothek München.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik