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Johannes John
chischen Schriftsteller deutscher Zunge, war man damals noch weit entfernt,
wobei rezeptionsgeschichtlich hier der Anteil von Literatur und Forschung an
einem sich zumal in den 80er-Jahren grundlegend wandelnden, neuen, nun
nicht mehr harmonisierenden oder idyllisierenden Stifter-Bild nicht unerwähnt
bleiben darf (vgl. John und Wiesmüller 2018, 374–377).
Durchaus spannend, wenngleich an dieser Stelle nicht weiter zu vertiefen,
sind dabei die Frontlinien, wie sie innerhalb der strukturell bis heute föderalis-
tisch verfassten bundesdeutschen Kulturpolitik auch publizistisch auf landespo-
litischer Ebene verliefen. So mahnten etwa das Düsseldorfer Handelsblatt wie die
Westdeutsche Zeitung wortgleich einen doch pfleglicheren Umgang mit Steuer-
geldern an, wozu freilich angemerkt werden muss, dass der Freistaat Bayern
seine Summe aus einem speziellen Fond staatlicher Sondermittel und nicht etwa
laufenden Budgets zur Verfügung gestellt hatte.20 Dazu mag beigetragen haben,
dass sich auch das in Frankfurt angesiedelte „Freie Deutsche Hochstift“ zumin-
dest auf Teilerwerbe Hoffnungen gemacht hatte, eine „Preistreiberei“21 befürch-
tend aus dem Wettbewerb aber bereits vor dem Hamburger Showdown ausgestie-
gen war.22 Am polemischsten fiel hier Fritz Hufens Verdikt aus, wonach mit dem
Münchner Zuschlag die „Sicherungen des gesunden Menschenverstandes und
20 Hierzu Karin Thimm (Anm. 15) im 8-Uhr-Blatt Nürnberg in ihrem Bericht über die Pressekon-
ferenz in der Münchner Staatsbibliothek: „Die halbe Million Mark aber, die man jetzt für Stifters
Manuskripte ausgab, fallen mit keinem Pfennig dem Etat zur Last. Kultusministerium und Fi-
nanzministerium haben sie aus dem Grundstückvermögen des Staates losgeeist, als eine Wert-
anlage sozusagen, zur Vermehrung des Staatsbesitzes.“
21
So Christian Otto Frenzel (Eine halbe Million für Stifters Manuskripte) in der Frankfurter Allge-
meinen Zeitung vom 30. November 1964.
22
Allerdings differiert in der Presse hierzu die Berichterstattung. Die Hinweise auf das „Hoch-
stift“ als Interessenten im Münchner Merkur vom 2. Dezember (Immer mehr Stifter in München)
und der Sudetenpost vom 18. Dezember 1964. Die Passauer Neue Presse vom 17. Dezember 1964
hingegen meldet unter dem Titel Stifter ist sein Geld wert, dass beide, das „Stifter-Museum in Linz
und das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt […] lebhaft mitgeboten hatten“. Dem steht die
Aussage von Johanna von Herzogenberg (1965, 46) entgegen, wonach der Entschluss zur Absti-
nenz bereits im Vorfeld getroffen wurde: „Es verhandelten also die öffentlichen Handschriften-
Sammlungen miteinander – in Deutschland stehen an erster Stelle das Schiller-Nationalmuse-
um in Marbach und das Freie Deutsche Hochstift in Frankfurt, welche beide zurücktraten, als sie
die guten Gründe der Bayerischen Staatsbibliothek hörten.“ – In gleichem Sinne zuvor schon
Erhard Göpel (Bayern ehrt Adalbert Stifter) in einem umfänglichen Bericht der Süddeutschen Zei-
tung vom 12./13. Dezember 1964: „Andere deutsche Stellen, wie das Freie Deutsche Hochstift in
Frankfurt, mit denen auf der Ebene der Kultusministerkonferenz eine Verständigung gesucht
worden war, hatten darauf verzichtet, die von der ,Stiftung Volkswagenwerk‘ zur Verfügung ge-
stellten Mittel gegen München auszuspielen, das von Anfang an mit Entschiedenheit seine Er-
werbsabsicht bekundet hatte.“
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik