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Archiv und Politik
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Häuser schon seit längerem bei Auktionen im Vorfeld strategisch abstimmen, um
nicht auf Kosten ihrer Budgets gegeneinander zu bieten – und so im Übrigen
jenen Forderungen genügen, wie sie nach der Versteigerung vom November 1964
im Feuilleton nachdrücklich erhoben wurden.29 Wechselseitige Auftragserteilun-
gen, die auch den verantwortlichen Redaktor der HKG einbeziehen, sind inzwi-
schen keineswegs die Ausnahme. Zu berücksichtigen ist dabei, dass mit größeren
,Entdeckungen‘ bis dato unbekannten Materials im Falle Stifters kaum mehr zu
rechnen ist und der Erwerb der mehrseitigen, handschriftlich von Stifter für den
Privatunterricht im Hause Metternich verfassten Psichologie der Tiere30 hier eher
die Ausnahme bleiben dürfte, die – nach Begutachtung durch Experten der HKG
im Frühjahr 2011 und nachfolgenden Umwegen über verschiedene Anbieter und
Reduzierung auf einen zwar immer noch stolzen, aber eher angemessenen Preis
– schließlich auf der Frühjahrsauktion des Hauses Stargardt in Berlin im März
2014 vom Stifter-Institut erworben und somit an den Ort verbracht werden konnte,
wohin sie auch gehört.
So ist es auch das Stifter-Institut in Linz, das in den letzten Jahren, was Neu-
erwerb und Komplettierung anbelangt, archivalisch zweifellos die nachhaltigste
Dynamik entfaltet hat, was zuletzt auch die Übernahme wichtiger handschriftli-
cher wie archivalischer Bestände des im Dezember 2018 aufgelösten Wiener „Stif-
ter-Vereins“ verdeutlicht, die dann im Laufe des Jahres 2019 nach Linz übersie-
delten. Dessen zentrale Rolle als Erinnerungsort hatte schon Alois Hofman 1984
betont, als er das Prager Stifter-Archiv ausdrücklich als „Teil des Stifter-Hauses an
der Linzer Donau-Lände“ (Hofman 1984, 113) bezeichnete: eine doch bemerkens-
werte Feststellung, die – immerhin fünf Jahre vor dem Fall des Eisernen Vorhangs
– im Kontext von ,Archiv und Aura‘ gewissermaßen eine Logik der Topografie
und Geografie postuliert. Auch die in Linz liegenden Bestände an Stifter-Hand-
schriften sind im Übrigen der HKG auf digitale Weise zugänglich.
Womit – um in der oberösterreichischen Landeshauptstadt zu bleiben – der
Standort Linz abschließend noch um ein weiteres wichtiges Depositum erweitert
werden soll, liegen im dortigen Oberösterreichischen Landesarchiv in einer sepa-
raten Abteilung doch die sogenannten ,Stifter-Akten‘, die seine Tätigkeit als k. k.
Schulrat zwischen 1851 und 1865 dokumentieren und die Textbasis der 10. Abtei-
29 Wenigstens „ein Minimum an Zusammenarbeit“ hatte mit polemischer Schärfe Fritz Hufen
am 30. November 1964 im Düsseldorfer Handelsblatt eingefordert; ebenso, wenngleich modera-
ter, Johanna von Herzogenberg mit ihrem Plädoyer, „verantwortlich vorzugehen und unter den
ernsten Interessenten eine Absprache so zu treffen, daß sich nicht verwandte Institutionen ge-
genseitig hochsteigern“ (Herzogenberg 1965,
46).
30 Stifter, HKG 8.2, 13–20.
Logiken der Sammlung
Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Titel
- Logiken der Sammlung
- Untertitel
- Das Archiv zwischen Strategie und Eigendynamik
- Autoren
- Petra-Maria Dallinger
- Georg Hofer
- Verlag
- De Gruyter Open Ltd
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC-ND 4.0
- ISBN
- 978-3-11-069647-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.0 cm
- Seiten
- 202
- Schlagwörter
- Archiv, Nachlassinventar
- Kategorien
- Weiteres Belletristik