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23Eine
Geschichte der Mauthausen-Überlebenden |
haftiert gewesen sind. Zudem hat ein Interview bewusst falsche Aussagen enthalten.41
Über die formale Quellenkritik hinaus ermöglichte uns die Verbindung von Oral His-
tory mit den Methoden der Historischen Sozialwissenschaft – im Speziellen mit Hilfe
quantifizierender Methoden bzw. der historischen Netzwerkanalyse
– auch jenseits der
individuellen Lebenswege die Strukturen der Verfolgung und Lebensverläufe in den
Blick zu nehmen.42
So wie es nicht die eine Erfahrung von Mauthausen gab, gibt es auch nicht die eine
Art und Weise, die Geschichte der Überlebenden zu schreiben. Am MSDP arbeiteten
Wissenschafter und Wissenschafterinnen mit, die aus unterschiedlichsten Disziplinen
und Forschungstraditionen kamen.43 Auch die Oral History ist von unterschiedlichen
Forschungstraditionen geprägt, wie etwa einer angloeuropäischen und einer spanisch-
lateinamerikanischen Richtung.44 Die Herausgeber und Herausgeberinnen dieser vier-
bändigen Geschichte der Mauthausen-Überlebenden haben sich bewusst dafür ent-
schieden, den Pluralismus an Methoden und die unterschiedlichen Traditionen der
Verschriftlichung von Forschungsergebnissen in den einzelnen Beiträgen und Bänden
abzubilden.
Eine Oral History des KZ Mauthausen
Wir konnten in unseren Forschungen den einzigartigen Quellenkorpus des Mauthau-
sen Survivors Documentation Project (MSDP) auswerten, der 859 Audio- und Videoin-
terviews45 mit Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen (und einigen An-
41 Zu Antonio Pastor Martínez, der sich fälschlicherweise als Mauthausen-Überlebender ausgab, vgl. Be-
nito Bermejo/Sandra Checa : La construcción de una impostura. Un falso testigo de la deportación de
republicanos españoles a los campos nazis, in : Migraciones & Exilios 5 (2004), S. 63–80. Den Namen von
Pastor veröffentlichten die beiden Autoren erst nach dessen Tod in : Benito Bermejo/Sandra Checa : Co-
municado [20. 5. 2005], URL : http://www.exilioydeportacion.com/comunicado.htm (19. 9. 2020). Siehe
dazu auch Cercas, Der falsche Überlebende, S. 367 f., sowie Mercedes Vilanova : Mauthausen, después.
Voces de españoles deportados [Mauthausen, danach. Stimmen der deportierten Spanier], Madrid 2014
(Collección Historia. Seria menor), inbes. das Kapitel «Una Reflexión sobre las fuentes orales», S. 139–
148. Vilanova hatte das MSDP-Interview mit Pastor geführt.
42 Eine erste Auswertung der daraus entstandenen MSRP-Datenbank nehmen Alexander Prenninger und
Heinrich Berger in diesem Band vor.
43 Eine Auflistung aller Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des MSDP ist im Anhang 1 zu finden.
44 So ist die Oral History etwa in Frankeich bis heute kaum anerkannt, wie wir bei einer Präsentation des
Projekts auf der Tagung L’histoire orale. Regards croisés et décalés : France – Brésil – Europe (2010) in
Grenoble erfahren mussten. Wir danken Anne-Marie Granet-Abisset für die Einladung. Dagegen ist in
anderen Ländern, etwa in den Niederlanden, Deutschland oder USA, der gegenteilige Trend feststell-
bar, nämlich jeden strukturgeschichtlichen oder quantifizierenden Ansatz zurückzuweisen, etwa bei der
IOHA-Konferenz 2005 in Rom.
45 Die Namen aller Interviewten des MSDP sind im Anhang 2 angeführt. Aufgrund intensiver Archivre-
cherchen zu den MSDP-Interviewten im ITS und im Mauthausen-Archiv hat sich herausgestellt, dass
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen