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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
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35Themenschwerpunkte der Geschichte der Mauthausen-Überlebenden | zentrationslager als «Laboratorium der Moderne»27 oder als «totale Institution»28 be- schreiben, wo Häftlinge auf das «nackte Leben»29 reduziert werden und nur mehr als «serielle Masse»30 auftreten. Dagegen neigen wir zu der innovativen Interpretation der deutschen Soziologin Maja Suderland, die das Konzentrationslager als einen «Extrem- fall des Sozialen» sieht, in dem «ein komplexes Beziehungsgeflecht sozialer Positionen und Abgrenzungen» entstand und der nicht ein Abbild, sondern ein «Zerrbild» der Gesellschaft und damit auch der Außenwelt darstellte.31 So trennten unterschiedliche Sprachen, kulturelle Differenzen und politische Welten die Häftlinge ebenso sehr wie Vorurteile und Werteskalen, die weit über den Kreis der Nationalsozialisten und der Deutschsprachigen hinausgingen (z. B. Antisemitismus, Vorurteile gegen «Zigeuner», Polen, Ukrainer, Homosexuelle). Die von ehemaligen politischen Überlebenden nach 1945 behauptete und in den jährlichen Befreiungsfeiern immer wieder beschworene «internationale Solidarität» dominierte in der Binnenwelt der Konzentrationslager keineswegs.32 Zwar gab es sol- che positiven Sozialbeziehungen auch  – angesichts der Umstände in einem bewun- dernswerten Ausmaß  –, doch sie kamen dann, wenn es um das tragische Nullsummen- Spiel der überlebensnotwendigen Güter, Positionen und Beziehungen ging, schnell an ihre Grenzen. Der deutsche Historiker Lutz Niethammer dagegen hat die Sozialbezie- hungen von KZ-Häftlingen untereinander auf das Bild von einer «vom Terror der SS entmenschten Wolfsgesellschaft» zugespitzt.33 Viele der MSDP-Interviews zeigen tat- 27 Vgl. Hannah Arendt, Social Science Techniques and the Study of Concentration Camps, in : Jewish Social Studies 12.1 (1950), S. 49–64, hier 60 : «The concentration camps are the laboratories in the experiment of total domination, for human nature being what it is, this goal can be achieved only under the extreme cir- cumstances of a human-made hell.» Arendt folgt hier Bettelheim, Individual and Mass Behavior, S. 418. Ähnlich auch : Hans Günther Adler : Selbstverwaltung und Widerstand in den Konzentrationslagern der SS, in : Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 8.3 (1960), S. 221–236, hier 227 ; Zygmund Bauman, Dialektik der Ordnung. Die Moderne und der Holocaust, Hamburg 2005, S. 25. 28 Erving Goffman : Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen, Frankfurt a.  M. 1991 [1961], insbesondere das Kapitel «Über die Merkmale totaler Institutionen», S. 13– 124. 29 Giorgio Agamben : Homo sacer. Die souveräne Macht und das nackte Leben, Frankfurt a.  M. 2002 [1995] (Erbschaft unserer Zeit. Vorträge über den Wissensstand der Epoche, 16), v. a. Kapitel  3, S. 125 ff. 30 Sofsky, Die Ordnung des Terrors. 31 Vgl. Maja Suderland : Ein Extremfall des Sozialen. Die Häftlingsgesellschaft in den nationalsozialisti- schen Konzentrationslagern, Frankfurt a.  M./New York 2009. 32 Johannes Tuchel : Möglichkeiten und Grenzen der Solidarität zwischen einzelnen Häftlingsgruppen im nationalsozialistischen Konzentrationslager, in : Robert Streibel/Hans Schafranek (Hg.), Strategie des Überlebens. Häftlingsgesellschaften in KZ und GULag, Wien 1996, S. 220–235. Vgl. Alexander Prennin- ger : «Das schönste Denkmal, das wir den gefallenen Soldaten der Freiheit setzen können  …». Über den Nutzen und den Gebrauch ritualisierten Gedenkens in österreichischen und deutschen KZ-Gedenkstät- ten, in : Jahrbuch Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (2004), S. 113–134. 33 Lutz Niethammer et  al. (Hg.) : Der «gesäuberte» Antifaschismus. Die SED und die roten Kapos von Bu- chenwald, Berlin 1994, S. 16. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik Band 1
Titel
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band
1
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Heinrich Berger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21217-1
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
426
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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