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55Reform
der KZ-Gedenkstätte Mauthausen und Oral History der Überlebenden |
Die Anfänge dieses Projekts wurden in Österreich bekannt und gingen in Überle-
gungen zu einer anstehenden Mauthausen-Reform und in die Vorbereitungen fĂĽr die
Gedenkfeiern zum 50. Jahrestag der Befreiung Mauthausens 1995 ein. Innerhalb des
Bundesministeriums für Inneres (BMI) griff man Reformvorschläge von in- und aus-
ländischen Wissenschaftern und Wissenschafterinnen auf und begann intern Schritte
zur Neugestaltung der KZ-Gedenkstätte vorzubereiten. In diesem Zusammenhang
wurde Mitte der 1990er Jahren von einer Arbeitsgruppe am Ludwig Boltzmann-In-
stitut fĂĽr Historische Sozialwissenschaft (LBIHS) ein Projektpapier erstellt und vom
Autor dieses Beitrags im Oktober 1996 dem Ministerium präsentiert. Darin wurde
angeregt, die Erinnerungsberichte der Überlebenden bei der Neugestaltung viel stär-
ker als bisher zu berĂĽcksichtigen. Als Teil eines BĂĽndels von ReformmaĂźnahmen war
geplant – bescheiden nach Sondierungen innerhalb des Ministeriums –, binnen eines
Jahres eine Videodokumentation mit insgesamt 60Â Ăśberlebenden zu erstellen.28
8. Daraus ging im Auftrag des Innenministeriums, damals geleitet von Caspar Ei-
nem (SPĂ–), ein Reformkonzept hervor, das, bis 1997 von Mitarbeitern und Mitarbei-
terinnen des LBIHS als detaillierter Rahmenplan für die Gedenkstätte Mauthausen
ausgearbeitet, nach einem Ministerwechsel aus uns nicht genau bekannten GrĂĽnden
auf die lange Bank geschoben wurde.29 Es soll innerhalb der Beamtenschaft des BMI je-
doch Bedenken gegen eine solche umfassende Reform gegeben haben.30 Zwar können
auch BĂĽrokratien vergessen, doch geschah das in diesem Fall nicht ganz.
All das hätte ohne die im Jahr 2000 eintretende politische Ausnahmesituation zu-
nächst wahrscheinlich wenig bewirkt. Mit der Bildung der «schwarz-blauen» ÖVP-
FPÖ-Koalition kam es nicht nur zu einem Bruch der (großkoalitionären) österrei-
chischen Regierungstraditionen, sondern auf europäischer Ebene und international
zu heftigen Protesten gegen die Beteiligung der rechtspopulistischen FPĂ– an der Re-
gierung Wolfgang Schüssel (ÖVP). Um diesen politischen «Gegenwind» abzufangen,
scheint die damals neue Regierung eine Reihe von gedenkpolitischen Initiativen for-
ciert zu haben, zu denen neben substanziellen Entschädigungszahlungen für Opfer des
NS-Regimes auch die Umsetzung älterer Pläne einer grundlegenden Reform der KZ-
Gedenkstätte Mauthausen zählte, in denen auch Oral-History-Projekte angedacht wa-
ren. Das wurde im Zusammenhang mit der «Wiedergutmachung» an Zwangsarbeitern
und -arbeiterinnen durch den FPÖ-Staatssekretär Eduard Mainoni in einem Interview
ausgesprochen : «Da haben sich die ÖVP und die Freiheitlichen […] zusammengesetzt
und überlegt : ‹Okay ! Wie viele Milliarden kostet uns das ?› Und dann haben wir das
28 Gerhard Botz : Vorschläge zur Vorbereitung der Realisierungsschritte zur Neugestaltung der Gedenk-
stätte Konzentrationslager Mauthausen für die Sitzung im BMI am 8. 10. 1996 vom 7. 10. 1996, Typo-
skript, Privatarchiv Alexander Prenninger, Salzburg.
29 Botz et al., Gedenkstätten-Museum Mauthausen.
30 MĂĽndliche Mitteilung des 1995 bis 1997 amtierenden Innenministers Caspar Einem an Gerhard Botz in
der Ständigen Vertretung bei der OECD in Paris im Dezember 2001.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen