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Mauthausen Survivors Documentation Project (2002/03) |
Viertel. Hierbei stellten die ungarischen und die polnischen Juden und Jüdinnen die
größten «national» lokalisierbaren Gruppen. Bei deren Berechnung bzw. der länder-
weisen Zuordnung gingen wir von der Annahme aus, dass zwei Drittel der jüdischen
Überlebenden nicht mehr in ihr Herkunftsland zurückkehrten, sondern sich in den
USA bzw. Israel niederließen. Die jüdischen Überlebenden wurden daher zu je einem
Drittel ihren jeweiligen europäischen Herkunftsländern, den USA und Israel zugerech-
net.31 Durch ein parallel laufendes Projekt des DÖW und in Zusammenarbeit mit dem
Verein Gedenkdienst konnten auch jüdische Mauthausen-Überlebende im Emigrati-
onsland Argentinien einbezogen werden.32
Die erste Verschiebung des ursprünglich noch stark an Repräsentativitätskriterien
orientierten Sampleplanes ging unmittelbar nach Projektbeginn (Februar 2002) vom
zentralen Projektteam selbst aus. So wurden Mauthausen-Überlebende aus Griechen-
land ins Sample aufgenommen, um so der politischen Bedeutung des griechischen
Widerstandes und dem Schicksal der Juden und Jüdinnen dieses Landes (meist aus
Thessaloniki) Rechnung zu tragen. Die Zahl der Interviews für Griechenland wurde
ursprünglich auf zehn festgesetzt und später auf 20 erhöht.
Eine weitere Umschichtung der nationalen Verteilung im Sample wurde in den Län-
dern des ehemaligen Jugoslawiens notwendig. Ursprünglich war die vom Auftraggeber
vorgegebene Intention, die Koordinierung für die gesamte Region bzw. für alle jugos-
lawischen Nachfolgestaaten einheitlich durchführen zu lassen. Von uns war zunächst
eine Regionalleitung für die südlichen neuen politischen Einheiten Exjugoslawiens
vorgesehen. Sie sollte an einen (schließlich auch nicht zu findenden) Oral Historian aus
der Republik Mazedonien vergeben werden. Dabei hatten wir die internen kulturell-
ethnischen Konflikte der ganzen Region unterschätzt und der Plan scheiterte rasch
am Widerstand der serbischen Lagergemeinschaft Mauthausen, die sich zweifelsohne
als «Wächter der [‹richtigen›] Erinnerung»33 verstand und auch andere Überleben-
denverbände gegen unsere (am grünen Tisch ausgedachte) Entscheidung aufzubringen
drohte. Der serbische Vorsitzende, Ljubomir Zečević, der den Eindruck eines jugosla-
wischen Altmarxisten machte, aber sich als ein kenntnisreicher Politikwissenschafter
und Journalist herausstellte, erwies sich jedoch bei quasidiplomatischen Verhandlun-
Camp de concentration national-socialiste en Autriche rattachée, Paris 1999 (Bibliothèque d’histoire mo-
derne et contemporaine, 1) ; Evelyn Le Chêne : Mauthausen. The History of a Death Camp, London 1971.
31 Selbstverständlich waren die USA und Israel nicht die einzigen Emigrationsländer, sicherlich aber die
bedeutendsten.
32 Wir danken hiermit Regula Nigg und Philipp Mettauer, den Bearbeitern und Bearbeiterinnen des DÖW-
Projekts «ÖsterreicherInnen im Exil : Die La Plata-Staaten Argentinien, Uruguay, Paraguay 1934–1945»,
das vom Jubiläumsfonds der Österreichischen Nationalbank, dem Jubiläumsfonds der Stadt Wien für
die Österreichische Akademie der Wissenschaften und dem Nationalfonds der Republik Österreich für
Opfer des Nationalsozialismus finanziert wurde.
33 Vgl. dazu die Dokumentation Die Wächter. Erinnerungen an Mauthausen, Frankreich 1995, Regie : Roy
Lekus. Der französische Originaltitel lautet «Mauthausen pour mémoire».
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen