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90 | Heinrich Berger und Alexander Prenninger
werden.20 Die Angaben in den Fragebögen wurden vom Team der Projektleitung des
MSDP in Wien schließlich in eine Access-Datenbank überführt. Die Datenbank ent-
hält auf zwölf Datenblättern Angaben zu demografischen Daten, Ort, Zeitpunkt und
Gründen der Verfolgung, Verfolgungswegen, Angaben zu medizinischen Experi men-
ten, zu Todesmärschen und zur Befreiung, zu Schul- und Berufsausbildungen, beruf-
lichen Tätigkeiten, Religion und Religionsausübung sowie Angaben zum Leben nach
der Befreiung.
Der Fragebogen sollte damit eine möglichst umfangreiche Sammlung von Daten
über die Interviewten und ihre Verfolgungswege liefern. Tatsächlich sind die etwa ein-
hundert Interviewer und Interviewerinnen den Vorgaben nur bedingt gefolgt. In vie-
len Fällen wurde der Fragebogen nur zum Teil ausgefüllt, in manchen Fällen gar nicht.
Die Qualität der Daten hängt dabei auch vom Erinnerungsvermögen und der Bereit-
schaft der Interviewten ab, die Fragen zu beantworten. Zahlreiche Felder, insbesondere
jene mit geografischen Angaben, sind außerdem unterschiedlich genau ausgefüllt wor-
den, wobei meist nicht klar ist, ob die jeweiligen Angaben von den Interviewten oder
den Interviewern und Interviewerinnen stammen. Viele Interviewte konnten sich nur
schlecht an die Namen von Internierungsorten erinnern und auch die Interviewer und
Interviewerinnen kannten nicht alle Namen der Orte, an denen die Interviewten gewe-
sen waren, und trugen sie phonetisch ein.21 Die teils unklare Schreibweise erschwerte
uns eine nachträgliche Identifizierung. So konnte beispielsweise nicht geklärt werden,
ob der Eintrag «Sampeiten» auf St.
Pölten schließen lässt. Zahlreiche Ortsangaben sind
zudem im Zuge von Besatzung und Annexionen während und nach dem Krieg umbe-
nannt worden und finden sich in der Datenbank in unterschiedlichster Form wieder.
Dies betrifft vor allem jene Herkunftsorte der Interviewten, die in Ostmitteleuropa
aufgrund zahlreicher Grenzverschiebungen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts
unterschiedliche Namensgebungen erfuhren. Der Überlebende Mordechay Eldar gab
etwa an, in «Deopolia, Transsilvania, Romania» geboren worden zu sein ; dabei han-
delt es sich um die heute an der ukrainischen Grenze gelegene rumänische Gemeinde
Câmpulung la Tisa, die bis 1918 und wieder von 1940 bis 1945 unter dem Namen
Hosszúmező zu Ungarn gehörte und auf Deutsch als Langenfeld an der Theiß sowie in
Ukrainisch als Dowhe Pole bezeichnet wird. Ein besonders prägnantes Beispiel bietet
dafür die Region Transkarpatien, die vor 1939 zur Tschechoslowakei gehörte, dann
von Ungarn und 1945 von der Sowjetunion annektiert wurde und nunmehr zur Ukra-
20 Institut für Konfliktforschung/Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.) : Manual
for Interviewers (Revision of March 26, 2002). Mauthausen Survivors Documentation Project (MSDP),
Wien 2002, S. 33 f. Vgl. Botz et al.: Das «Mauthausen Survivors Documentation Project», S. 304 f. Die
Original-Fragebögen, auf denen die Datenbank basiert, können im Archiv der KZ-Gedenkstätte Maut-
hausen in Wien eingesehen werden.
21 So wurde etwa das Dachauer Außenlager Allach als «Allah» bezeichnet ; die polnische Stadt Tomaszów
Mazowiecki taucht in der Übersetzung eines Interviews als «Thomashof» auf.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen