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94 | Heinrich Berger und Alexander Prenninger
tivitäten verurteilt. Im Fall der «Sicherungsverwahrten» ist z. B. auf einer Häftlingsper-
sonalkarte die «Vorbereitung zum Hochverrat» als Grund der Verhaftung vermerkt.
Im Konzentrationslager mussten sie als solche den grünen Winkel der «kriminellen»
Häftlinge tragen und nicht den roten der politischen Häftlinge, was eine Abwertung
ihres Ansehens innerhalb der Häftlingsgesellschaft bewirkte. Darüber hinaus wurden
die «Kriminellen» – nicht nur – im polnischen Narrativ vor allem mit den Funktions-
häftlingen in Verbindung gebracht, die als «Gehilfen [der SS, Anm. d. Autoren] bei der
Vernichtung der Feinde des Dritten Reiches» galten.30 Obwohl die Zeit in den deut-
schen Gefängnissen zu den traumatischsten Erfahrungen ihres Lebens zählt,31 sahen
sie sich daher selbst fast sechzig Jahre nach der Befreiung genötigt zu verschweigen,
dass sie den grünen Winkel bekommen hatten und auch lange Zeit keine offizielle An-
erkennung erhalten haben. Nur eine Kontrastierung der Angaben der Überlebenden in
der MSDP-Datenbank mit den zusätzlichen Daten aus anderen, vor allem Täterquellen,
die in der MSRP-Datenbank eingeflossen sind, ermöglicht es, bestimmte, vordergrün-
dig widersprüchliche Angaben zu verstehen.
Wie viele MSDP-Interviewte sind tatsächlich Überlebende des KZ Mauthausen ?
Die MSDP-Datenbank umfasst 859 Interviews. Fünf davon wurden mit Angehörigen
der US-Armee geführt, die an der Befreiung von Mauthausen beteiligt waren. Mit acht
Überlebenden wurden sowohl ein Audio- als auch ein Videointerview gemacht, da
die Entscheidung zum Videointerview erst aufgrund des vorangegangenen Audioin-
terviews fiel.32 Somit wurden insgesamt 846 Personen interviewt, die inhaftiert gewe-
sen waren. Aufgrund von Angaben der Überlebenden in den MSDP-Fragebögen, aber
vor allem auf der Basis der Überprüfung dieser Angaben in den relevanten Archiven
muss festgestellt werden, dass nach derzeitigem Informationsstand mindestens 22 bis
maximal 28
Personen keine Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen sind.
Somit kann von mindestens 818 Personen unter den Interviewten gesichert gesagt
werden, dass sie im Laufe ihrer Verfolgung in das Konzentrationslager Mauthausen
bzw. dessen Außenlager gekommen sind. Die Berechnungen in diesem Text beziehen
sich auf diese Gruppe von 818 Personen.
30 Stanisław Dobosiewicz : Vernichtungslager Gusen, Wien 2007 (Mauthausen-Studien, 5), S. 101.
31 Vgl. dazu den Beitrag von Piotr Filipkowski «Biografische Hintergründe und präkonzentrationäre Iden-
titäten von polnischen Deportierten» in Band 2 dieser Publikation.
32 Es handelt sich dabei um die Interviews mit Pablo Escribano (Nr. 194 und 213), Hans Maršálek (Nr. 362
und 572), Nikolaj Kireew (Nr. 32 und 650), Michael Horvath (Nr. 1 und 710), Paul Brusson (Nr. 538 und
833), Maria Van Bueren (Nr. 216 und 834), Joseph Klat (Nr. 813 und 838) sowie Jakob Maestro (Nr. 299
und 840).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen