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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
Seite - 116 -
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116 | Heinrich Berger und Alexander Prenninger ren zwölf Haftgründe sowie eine Kategorie «Sonstige» vorgegeben. Mehrfachantwor- ten mit bis zu drei Angaben waren möglich. Aus den Angaben können wir jedoch auch weitere Rückschlüsse darauf ziehen, welche Politiken und Strategien der Verfolgung und Deportation in den jeweiligen Herkunftsländern vorherrschten. Knapp die Hälfte aller in der Sowjetunion verhafteten Personen gab als ersten Haft- grund an, als Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen festgehalten worden zu sein. Um- gekehrt stammten fast 92  Prozent aller Personen, die Zwangsarbeit als ersten Verfol- gungsgrund angaben, aus der Sowjetunion. Nimmt man die Mehrfachangaben in die statistische Analyse mit auf, zeigt sich, dass zwei Drittel der Interviewten eine Kriegs- gefangenschaft und knapp die Hälfte auch ihre politische Überzeugung als Ursache der Verfolgung angegeben haben. Bei den in Polen verhafteten Personen gaben knapp 35  Prozent an, wegen ihrer na- tionalen bzw. ethnischen Herkunft verfolgt worden zu sein, jeweils ein Viertel aus ras- sistischen Gründen sowie wegen aktiver Widerstandstätigkeiten. Sieht man sich die Zahlen wieder in die andere Richtung an, zeigt sich, dass der Haftgrund «nationale/ ethnische Herkunft» mit 82  Prozent zum überwiegenden Teil von (nichtjüdischen) Po- len und Polinnen angegeben wurde. Unter den als Juden und Jüdinnen verfolgten Überlebenden kam die größte Gruppe mit 33  Prozent aus Ungarn. Betrachtet man nur die aus Ungarn stammenden Überleben- den, ist die Dominanz von jüdischen Häftlingen mit über 93  Prozent noch augenfälliger. Von den Selbsteinschreibungen der Interviewten in bestimmte Kategorien von Ver- folgung, wie in der MSDP-Datenbank geschehen, sind die Häftlingskategorien  – und die diesen entsprechenden Abzeichen an der Häftlingskleidung («Winkel»)  – zu unter- scheiden, die den Verfolgten im KZ Mauthausen von der Lager-SS zugewiesen wurden. Die Klassifikation der Häftlinge in den Konzentrationslagern erfolgte ausschließlich nach den ideologischen und rassistischen Kriterien der SS.65 Die Kriterien waren auch aufgrund des Funktionswandels der Konzentrationslager mehrfachen Veränderungen unterworfen :66 Roma und Sinti wurden etwa in der Frühphase des KZ Mauthausen als «Asoziale» und nicht als «Zigeuner» registriert67 ; die 1942/43 in die Konzentrations- lager überstellten Justizhäftlinge erhielten alle die Haftkategorie «Sicherungsverwah- rung». Auch Änderungen der Haftkategorie sind auf den Häftlingspersonalkarten und in Anweisungen der Lager-SS häufig zu finden. Außerdem gelang es manchen Häftlin- gen, ihre jüdische Herkunft zu verbergen oder aufgrund von Interventionen der Lager- SS eine andere Haftkategorie zugewiesen zu bekommen.68 Die in den SS-Dokumenten 65 Kranebitter, Zahlen als Zeugen (2014), S. 185 f. 66 Neurath, Gesellschaft des Terrors, S. 86 : «Später scheint sich die Bedeutung der Kategorien verändert zu haben und sich nicht mehr auf die Art des begangenen Verbrechens zu beziehen, sondern auf die für die Einweisung ins Lager zuständige Instanz, etwa Gestapo, Kriminalpolizei, Gericht oder Fürsorge.» 67 Darauf verweist Andreas Kranebitter in seinem Beitrag in diesem Band besonders im Hinblick auf die geringe Mortalitätsrate von «Zigeunern». 68 So konnte etwa Fritz Kleinmann nach seiner Flucht von einem Transport aus Auschwitz nach Mauthau- Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik Band 1
Titel
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band
1
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Heinrich Berger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21217-1
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
426
Kategorien
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