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132 | Heinrich Berger und Alexander Prenninger
Befreiung
Wo wurden die MSDP-Interviewten schließlich befreit ? Für die meisten von ihnen
blieb Mauthausen – inklusive der Außenlager – ihr letztes Lager, wo sie auch die Be-
freiung erlebten. Etwa 30
Prozent gaben an, im Stammlager befreit worden zu sein, ein
Viertel in den Gusener Lagern ; ca. 18 Prozent erlebten die Befreiung in Ebensee und
12,5 Prozent in Gunskirchen. Ein kleiner Anteil der MSDP-Interviewten war vor der
Befreiung Anfang Mai 1945 aus noch existierenden Lagern entweder offiziell entlassen
worden oder geflüchtet. Die Gruppe der Entlassenen umfasst immerhin 38 Personen,
von denen 17 zwischen 1940 und 1944 aus dem Lager entlassen wurden. Darunter
befinden sich zum Beispiel slowenische Häftlinge und Deportierte des Warschauer
Aufstandes, die von Mauthausen in Zwangsarbeitslager überführt wurden. Der größte
Anteil von 21 Personen wurde im April 1945 entlassen ; diese Gruppe umfasst zum
überwiegenden Teil französische Häftlinge, die mit Transporten des Roten Kreuzes
Ende April das Stammlager Mauthausen verlassen konnten und in die Schweiz trans-
portiert wurden.85
Resümee
Ursprünglich ist die MSDP-Datenbank nur zum Zweck der Dokumentation und zur
Orientierung in der Sammlung von 859
Interviews erhoben worden. Bald jedoch stellte
sich heraus, dass die Datenbank selbst großes Potenzial für Quellenkritik und quan-
titative Analysen bot. Im Zuge solcher quantitativen Datenanalysen konnten in der
Datenbank bemerkenswerte Häufungen von Aussagen festgestellt werden, die nicht
anhand der bekannten Informationen erklärbar sind, sondern eher durch nationale
Opferdiskurse und «Meistererzählungen».
Durch die Ergänzung mit Informationen aus den Arolsen Archives und den Verwal-
tungsakten aus dem Archiv der Gedenkstätte Mauthausen haben die Daten deutlich an
Aussagekraft gewonnen. Nun konnte die Selbstbeschreibung der Häftlinge mit den Da-
ten der SS und den offiziellen Dokumenten systematisch verglichen und Diskrepanzen
festgestellt werden. Auch wenn wir damit noch nicht wissen, welche Ursachen die ab-
weichenden Angaben haben, ob es sich um absichtliche oder unabsichtliche Falschan-
gaben handelt und welche Motive dafür vorliegen, so können wir doch feststellen, wie
oft diese Diskrepanzen vorkommen.
85 Vgl. Prenninger, Das letzte Lager, S. 375–382, Jean-Claude Favez : Une mission impossible ? Le CICR, les
déportations et les camps de concentration nazis, Lausanne 1988 (Histoire Payot) ; Comité International
de la Croix-Rouge (Hg.) : Die Tätigkeit des IKRK zugunsten der in den deutschen Konzentrationslagern
inhaftierten Zivilpersonen (1939–1945), Genf 31947 (Serie II, Nr. 1).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen