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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
Seite - 148 -
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Seite - 148 - in Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1

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148 | Andreas Kranebitter Ebenfalls zu sehen ist die Mortalität der jeweiligen Häftlingsgruppe  – definiert als An- teil der Verstorbenen an der Gesamtheit der Häftlinge der betreffenden Kategorie von 1938 bis 1945. Sie unterscheidet sich zwischen den einzelnen Haftkategorien zum Teil erheblich und weicht stark von der Gesamtmortalität der derzeit namentlich bekann- ten Häftlinge im KZ Mauthausen und seinen Außenlagern (49,0  %) ab. Die Mortalität ist jedenfalls der sichtbarste Hinweis auf die hierarchische Gliederung der Häftlingsge- sellschaft.45 Zu betonen wäre hier noch einmal, dass die ermittelten Werte lediglich ein «Minimum» darstellen und die gesamte Mortalität der betreffenden Gruppen höher liegen kann, da die unmittelbar vor, während oder nach der Befreiung Verstorbenen in den Berechnungen ebenso wenig vollständig inkludiert sind wie die Nicht-Registrier- ten  – die Sterblichkeit der (ausschließlich sowjetischen) Kriegsgefangenen beispiels- weise ist mit 59,5  Prozent daher mit Sicherheit unterschätzt. Inhaltlich sei an dieser Stelle auf die hohe Sterblichkeit der Gruppe der «kriminellen» Häftlinge (Kategorien «Sicherungsverwahrung» und «Berufsverbrecher») hingewiesen. Die Sterblichkeit der Personen mit der «kriminellen» Haftkategorie «Sicherungsver- wahrung» (60,5  %) liegt hier höher als jene anderer Gruppen, was der Wahrnehmung vieler Überlebender widerspricht. Ebenso überraschend hoch ist die Mortalität der so- genannten «Berufsverbrecher» (37,1  %), die in den Erinnerungen der Überlebenden meist als privilegierteste Häftlingsgruppe identifiziert wird.46 Die Mortalität markiert einen ersten Indikator für die Stellung von Kollektiven in- nerhalb der Häftlingsgesellschaft und macht so manchen Mythos wie die vermeintli- che Privilegierung gewisser Häftlingsgruppen hinterfragbar  – ist «Privilegierung» in totalen Institutionen ohnehin nach Erving Goffman vor allem «Abwesenheit von Ent- behrungen, die man normalerweise nicht ertragen zu müssen erwartet»47, so ist sie im Konzentrationslager angesichts der Sterblichkeit oft nicht einmal das. Der Indikator darf zudem nicht verabsolutiert und verdinglicht werden. Das zeigt beispielsweise die Mortalität der als «Zigeuner» etikettierten Deportierten des KZ Mauthausen. Deren auffallend geringe Mortalität liegt nicht an einer vermeintlich besseren Behandlung durch die SS oder einer sonst wie gearteten privilegierten Stellung, sondern daran, dass 45 Freund, Die Toten von Ebensee, S. 12 ; vgl. auch Freund, Häftlingskategorien, S. 878. 46 Der Blick auf diese Häftlingsgruppen ging nach 1945 selten über tradierte und klischeehafte Vorstellun- gen und Charakterisierungen hinaus. Er wurde durch das Bild der ehemaligen politischen Häftlinge ge- prägt, die sich mehrheitlich ausschließlich negativ auf sie bezogen. Als Synonym für Funktionshäftlinge verstanden, galten sie sprichwörtlich als «verlängerter Arm der SS» (Maršálek, Geschichte, S. 112). Ähnli- che Aussagen gibt es auch zu anderen Konzentrationslagern. Für empirische Untersuchungen, die dieses Bild in Bezug auf das KZ Mauthausen differenzieren, vgl. Andreas Kranebitter : Der «Kampf gegen das Verbrechertum» im nationalsozialistischen Österreich. Die Kriminalpolizei und die Radikalisierung der NS-Verfolgungspolitik nach 1938, in : Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 29.1 (2018), S. 148–179 ; Andreas Kranebitter : Renitenz als Resistenz. Zur nationalsozialistischen Konstruktion und Verfolgung von «Berufsverbrechern», in : Kriminologisches Journal 51.4 (2019), S. 251–272. 47 Erving Goffman : Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen, Frankfurt a.  M. 1991 [1961], S. 56 f. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik Band 1
Titel
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band
1
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Heinrich Berger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21217-1
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
426
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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