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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
Seite - 153 -
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153«Geschichtsforschung mit dem Taschenrechner» ? | kannt werden sollte. Die Ursache dieser Diskrepanz zwischen den obigen Zahlen und mancher Erinnerung könnte dem kognitiven Phänomen geschuldet sein, dass spätere Erinnerungsschichten frühere überlagern. Zudem finden sich wenige Erinnerungen an das KZ Mauthausen von Personen, die die Frühzeit des Lagers erlebt haben  – vor allem kaum von «kriminellen» Häftlingen. Ein statistisches Modell zur Erklärung der Überlebenswahrscheinlichkeit Wie oben am Beispiel der als «Zigeuner» etikettierten Deportierten des KZ Mauthau- sen diskutiert, ist die Mortalität einer Häftlingsgruppe als einzelner Indikator für ihre Stellung innerhalb der Hierarchie der «Häftlingsgesellschaft» mit größter Vorsicht zu interpretieren und vor allem in Bezug zu anderen Merkmalen zu setzen, etwa dem Alter, der Berufs- und Sozialstruktur oder der Inhaftierungsdauer, um vorschnelle Interpre- tationen zu vermeiden. Sucht man nun nach «Gründen» für eine hohe oder niedrige Sterblichkeit diverser Gruppen, wird die Mortalität als Größe aufgefasst, die es zu er- klären gilt («abhängige Variable»), die also durch gewisse Faktoren erklärt werden kann und muss. Es geht insofern nicht mehr um die Mortalität als Anteil der Verstorbenen innerhalb einer bestimmten Gruppe, sondern um Mortalität als Sterbe- bzw. umgekehrt Überlebenswahrscheinlichkeit einer bestimmten Person. Die  – statistisch sehr nüch- tern formulierte  – Frage ist nun, welche Strukturmerkmale der Häftlingsgesellschaft die Wahrscheinlichkeit einer einzelnen Person, zu sterben, bestimmen und wie groß der Einfluss der einzelnen Merkmale im Verhältnis zueinander zu beziffern ist. Zu be- tonen bleibt, dass diese Suche nach statistischen Erklärungen nur Modelle liefert, die theoriegeleitet zu interpretieren sind ; sie sind nicht als «realitätsgetreuere» Abbilder der Lagerwirklichkeit auf der Basis vermeintlich «harter Methoden» misszuverstehen. Für eine Erklärung der Mortalität lassen sich in wissenschaftlichen Publikationen und in der Erinnerungsliteratur53 insgesamt folgende Faktoren ausmachen : – Soziodemografische Faktoren (Alter, Geschlecht, Beruf) – SS-Kategorisierungen (Haftkategorie, Nationalität) – Einlieferungsdaten (Einlieferungszeitpunkt, Häftlingsnummer, Inhaftierungsdauer) 53 Vgl. dazu  – für das KZ Mauthausen samt Außenlagern  – die Ausführungen bei Freund, Die Toten von Ebensee, S. 343–356, und Fabréguet, Mauthausen, S. 188–204 ; weiters Gerhard Botz et  al.: Mauthausen überleben und erinnern. Ein Bericht aus dem «Mauthausen Survivors Research Project», in : Bundesmi- nisterium für Inneres (Hg.), KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial 2009, Wien 2010, S. 39–48, hier 45. Zu den «individuellen Faktoren» wie der Bedeutung der Organisierung in Kleingrup- pen, dem individuellen Besitz und dem «Organisieren» durch Kontakt zu Zivilarbeitern für Mauthau- sen und seine Außenlager z. B. Bárta, Tagebuch ; Szücs, Zählappell ; Paul u. Etienne Le Caër : Ein junger Europäer in Mauthausen 1943–1945, Wien 2002 [1996] (Mauthausen-Studien, 2), besonders S. 44–47. Erklärungen für das Überleben oder Sterben finden sich allerdings in der gesamten Erinnerungsliteratur zu den nationalsozialistischen Konzentrationslagern. Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik Band 1
Titel
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band
1
Autoren
Gerhard Botz
Alexander Prenninger
Regina Fritz
Herausgeber
Heinrich Berger
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2021
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-21217-1
Abmessungen
16.8 x 23.7 cm
Seiten
426
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen
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