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165Besatzer,
Besetzte und Verfolgung in Hitlers Europa |
detenlandes Ende 1938, spätestens aber mit dem Einmarsch in Böhmen und Mähren
im März 1939. Ihre eigentlich radikale Form nahm die deutsche Besatzungsherrschaft
dann ab Ende 1939 in Polen an. Die deutsch besetzte Hälfte des Landes wurde aufge-
teilt in die eingegliederten Gebiete im Westen, in etwa von Danzig über Łódź bis Katto-
witz, und das sogenannte Generalgouvernement, also Zentral- und Südostpolen. Bin-
nen kurzem fielen 1940 Dänemark und Norwegen, dann fast ganz Westeuropa unter
deutsche Herrschaft. Jugoslawien und Griechenland wurden nach dem Einmarsch der
Achsenstaaten im März 1941 regelrecht zerstückelt, Serbien und der Raum Saloniki/
Ägäis als deutsche Militärbesatzung behalten, in Kroatien/Bosnien ein rechtsextremer
Marionettenstaat errichtet und der Rest zwischen Italien, Ungarn und Bulgarien auf-
geteilt. Als die Wehrmacht im Juni 1941 in der Sowjetunion einmarschierte, etablierte
sich die gewalttätigste Form der Besatzungsherrschaft. Allein in diesem Land blieben
Besatzung und Kriegführung untrennbar miteinander verbunden, da die Rote Armee
ja nicht besiegt werden konnte. An späteren Besatzungen sind noch die Übernahme
Italiens und der italienisch besetzten Territorien 1943 zu nennen und schließlich die
Fälle Ungarn und Slowakei, die beide erst 1944 handstreichartig von deutschen Trup-
pen genommen wurden. Diesen Entwicklungsphasen folgen im Großen und Ganzen
auch die von der KZ-Verwaltung vorgegebenen Kategorien der Häftlinge in den Lagern,
an denen sich auch die weiteren Abschnitte dieses Publikationsprojekts orientieren.
Am Anfang jeder Besatzungsherrschaft steht die Verwaltung durch das Militär, wie
sie völkerrechtlich an sich bis zu einem Friedensschluss auch vorgesehen ist. Doch
sowohl in der besetzten Tschechoslowakei als auch in Polen wurde die Wehrmacht
bereits nach wenigen Wochen von Zivilverwaltungen abgelöst. Lediglich in Frankreich,
Belgien, Serbien und im deutsch besetzten Griechenland etablierte sich dauerhaft eine
eigenständige Militärverwaltung, während der Ostteil der besetzten Sowjetunion zwar
unter der Herrschaft der Militärs blieb, jedoch dezentral verwaltet wurde – aus Hitlers
Sicht eine Übergangslösung. Ansonsten folgten auf die Militärs die zivilen Verwalter.
Bereits in die Militärverwaltung waren zivile Beamte aus den Innenressorts und aus der
Wirtschaft eingebaut. Bald übernahmen diese jedoch die ganze Herrschaft. Im westli-
chen Polen entstand eine Verwaltung wie im «Reich» mit wichtigen Modifikationen,
im Generalgouvernement eine Art Kolonialverwaltung. Eine solche richtete Alfred
Rosenberg mit seinem Ministerium für die besetzten Ostgebiete auch im Baltikum, im
Westen Weißrusslands und im Großteil der Ukraine ein.
Das Deutsche Reich hatte natürlich viel zu wenig Personal, um halb Europa admi-
nistrieren zu können. Deshalb dünnte die Personaldecke an der Peripherie aus, sowohl
quantitativ als auch qualitativ, wenn man Fachausbildung zum Maßstab macht. Waren
in den eingegliederten Gebieten Polens noch zum großen Teil Beamte der deutschen
Innenverwaltung eingesetzt, so dominierten weiter östlich immer mehr Parteifunktio-
näre, meist ganze Seilschaften aus dem «Reich» oder frischgebackene Absolventen der
Ordensjunkerschulen. Ähnliches lässt sich in den Reichskommissariaten Niederlande
und Norwegen beobachten. Lediglich in den Fachverwaltungen wie Arbeit, Wirtschaft
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen