Seite - 173 - in Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
Bild der Seite - 173 -
Text der Seite - 173 -
173Besatzer,
Besetzte und Verfolgung in Hitlers Europa |
gen nicht selten zum Widerstand über. Allerdings ist dabei nicht klar, ob dies eine
Reaktion auf die deutschen Verfolgungsaktionen war oder vielmehr auf der Angst vor
Bestrafung im Falle der deutschen Kriegsniederlage beruhte.15
Doch nicht nur Polizisten waren in die Verfolgungspolitik involviert. In Osteuropa
waren die Kommunalverwaltungen an der Ausplünderung der Juden und der Einrich-
tung von Ghettos beteiligt, oft auch an der Rekrutierung von Zwangsarbeitern. Ein-
heimische Eisenbahner halfen dabei, Juden in den Tod oder Häftlinge in Lager zu
transportieren. Innerhalb der Wehrmacht nahmen zahlreiche einheimische Hilfskräfte
am brutalen Anti-Partisanenkrieg teil, nicht selten wurden Kriegsgefangenenlager von
entlassenen ehemaligen Kriegsgefangenen bewacht.
Die zahlenmäßige Dimension der ausländischen Helfer bei den Verfolgungsmaß-
nahmen konnte bisher noch nicht genau ermittelt werden, in Relation zum Umfang
des deutschen Besatzungspersonals war sie jedoch erheblich. Dennoch haben nur im
Falle der Kollaborationsregierungen größere Handlungsspielräume bestanden, die
der Masse der Einheimischen, die in deutschen Diensten standen, fast durchgehend
fehlten, etwa den Hilfspolizisten, Hilfsangestellten der Verwaltungen oder sonstigem
Funktionspersonal. Freilich gingen auch von einheimischen Rechtsextremisten oder
«ganz normalen» Denunzianten immer wieder Impulse zur Verfolgung aus, die dann
allerdings fast durchwegs von den Besatzungsorganen bestimmt wurde. Darüber hi-
naus hat es Mordaktionen gegeben, die autonom von bestimmten Gruppen in Gang
gesetzt wurden, so die Verfolgung von Serben durch das kroatische Ustascha-Regime,
die ethnischen Säuberungen der ukrainischen Aufstandsarmee 1943/44 gegen die pol-
nische Minderheit in der Westukraine oder gegenseitige Massaker im Bürgerkrieg der
jugoslawischen und griechischen Untergrundbewegungen. Dies alles ist nur sehr mit-
telbar der nationalsozialistischen Besatzung und Gewalt zuzurechnen.
Innerhalb der Besatzungsgesellschaften richtete sich die Gewalt zunächst gegen
relativ abgrenzbare Gruppen, wie die Juden, die polnischen und sowjetischen Füh-
rungsschichten, die sowjetischen Kriegsgefangenen, Sinti und Roma, Behinderte,
Kommunisten und andere. Im Rahmen der Widerstandsbekämpfung dehnten sich
die Gewaltaktionen jedoch immer weiter aus, zum einen auf «Verdächtige» wie Orts-
fremde, zum anderen auf Einwohner der Gebiete, in denen Partisanen aktiv waren.
Dies betraf von 1941 an Teile der Sowjetunion und Jugoslawiens, in der letzten Kriegs-
phase jedoch die Mehrheit der Regionen unter Besatzung.
Die Reaktionen der Verfolgten auf die Gewaltpolitik waren stark von deren Hand-
lungsspielräumen abhängig. Diese waren bei den Insassen der Psychiatrie nicht exis-
15 Vgl. Martin C. Dean : Collaboration in the Holocaust. Crimes of the Local Police in Belorussia and Ukra-
ine, 1941–44, Basingstoke 2000 ; Jared McBride : «A Sea of Blood and Tears». Ethnic Diversity and Mass
Violence in Nazi-Occupied Volhynia, Ukraine 1941–1944, Ph. D. Thesis Univ. of California, Los Angeles
2014 ; Guus Meershoek : Dienaren van het gezag. De Amsterdamse politie tijdens de bezetting [Diener
der Obrigkeit. Die Amsterdamer Polizei während der Besatzungszeit], Amsterdam 1999.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen