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183Nationalsozialistische
Terrorstätten |
textualisierung, die im Wissen darum eingenommen wird, dass generalisierende Aus-
sagen nicht ohne intellektuelles Risiko sind und unvermeidlich zu Kritik einladen.
Um das Typische zu verdeutlichen, steht im Mittelpunkt des Beitrags die erste
Kriegshälfte bis 1941/42. Denn bis zu diesem Zeitpunkt waren die meisten Varianten
der nationalsozialistischen Terrorstätte eingerichtet und zugleich in ihren intentiona-
len Ausprägungen am deutlichsten sichtbar. Die zweite Kriegshälfte hingegen war von
widersprüchlichen Entwicklungen und zahlreichen Veränderungen der Absichten und
der Funktionszuweisungen an die Terrorstätten geprägt, die eine klare Zuordnung bzw.
den Versuch einer Typologie obsolet erscheinen lassen.
Am Ende der einleitenden Bemerkungen sei betont, dass das Thema im Rahmen ei-
nes Beitrags nicht abschließend behandelt werden kann. Die folgenden Ausführungen
verstehen sich daher in erster Linie als Überblick und Problemaufriss.
Nationalsozialistische Terrorstätten der Verfolgung und Ermordung der
politischen Regimegegner und der «Gemeinschaftsfremden»
Zur Verfolgung, Terrorisierung und auch zur Ermordung der politischen Gegner und
der erbbiologisch definierten «Gemeinschaftsfremden» nutzte das NS-Regime ver-
schiedene Haftstätten : die frühen Lager, die Konzentrationslager, die «Zigeunerlager»
und die «Jugendschutzlager». Im ersten Jahr der nationalsozialistischen Herrschaft
wurden, wie Klaus Drobisch als Erster akribisch recherchiert hat,8 mindestens 70
Lager,
30 sogenannte Schutzhaftabteilungen in Justiz- und Haftanstalten sowie 60
Haftstätten
der Gestapo, der SA und der SS eingerichtet. Hinzu kam, vor allem im Frühjahr 1933,
eine bislang nicht festgestellte Zahl von Folterstätten in Kellern, Kasernen und soge-
nannten «Sturmlokalen». Von Februar bis April 1933 hielt man in diesen Haftstätten
über 45.000 Menschen gefangen. Die Gewalt galt in erster Linie der organisierten Ar-
beiterbewegung, den Kommunisten und Sozialisten, bald auch den Sozialdemokraten
und Gewerkschaftern. Auch viele persönliche «Rechnungen» wurden in diesen Tagen
beglichen. Nur vereinzelt bestanden Lager, in die das Regime «Bettler» und «Asoziale»
sperrte. Die juristische Grundlage der Verfolgungsmaßnahmen bildete die am 28. Fe-
bruar 1933 erlassene «Verordnung zum Schutz von Volk und Staat», die bis zum Zu-
sammenbruch des NS-Regimes galt. Der Terminus «Schutzhaft», der im Gesetzestext
selbst nicht vorkommt, wurde bald zum Inbegriff der politischen Gegnerbekämpfung
im «Dritten Reich».
8 Klaus Drobisch/Günther Wieland : System der NS-Konzentrationslager 1933–1939, Berlin 1993. Vgl.
nun auch die Beiträge in Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.) : Instrumentarium der Macht. Frühe
Konzentrationslager 1933–1937, Berlin 2003 (Geschichte der Konzentrationslager 1933–1945, 3) ; dies.
(Hg.) : Herrschaft und Gewalt. Frühe Konzentrationslager 1933–1939, Berlin 2002 (Geschichte der Kon-
zentrationslager 1933–1945, 2) ; dies. (Hg.) : Terror ohne System. Die ersten Konzentrationslager im Na-
tionalsozialismus 1933–1935, Berlin 2001 (Geschichte der Konzentrationslager 1933–1945, 1).
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen