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190 | Karin Orth
Modell, das ab 1942/43 mit den KZ-Außenlagern in großem Maßstab zur Anwendung
kam. Die KZ-Häftlinge der SS galten in jener Phase als letztes noch zur Verfügung
stehendes Reservoir von Arbeitskräften für die deutsche Kriegswirtschaft. Begonnen
hatte der zwangsweise Einsatz von ausländischen Arbeitskräften für die deutsche
Kriegswirtschaft jedoch bereits 1939.
Nationalsozialistische Terrorstätten des «Ausländer-Einsatzes» für die deutsche
Kriegswirtschaft
Der von Ulrich Herbert grundlegend erforschte «Ausländer-Einsatz» für die deutsche
Kriegswirtschaft nahm zwischen 1939 und 1945 enorme Ausmaße an :19 Mehr als
14 Millionen Menschen waren betroffen, darunter 8,4 Millionen Zivilisten, 4,6 Millio-
nen Kriegsgefangene und 1,7 Millionen KZ-Häftlinge. Charakteristisch für den Ein-
satz und die Unterbringung eines großen Teils der zivilen «Fremdarbeiter» waren die
Zwangsarbeiterlager, die zeitgenössisch häufig «Fremdarbeiterlager» genannt wurden.
Als Straflager für diejenigen Zwangsarbeiter, die eines «Vergehens» bezichtigt wurden,
fungierten die «Arbeitserziehungslager» (AEL) sowie zum Teil die Konzentrationsla-
ger. Zwangsarbeiterlager und AEL dienten also nicht primär der politischen oder ras-
sistischen Verfolgung.
Der Arbeitskräftemangel im Deutschen Reich, der sich bereits vor Kriegsbeginn
abgezeichnet hatte, sich durch den Kriegsverlauf jedoch drastisch verschärfte, sollte
durch ausländische Arbeitskräfte behoben werden. Der massenhafte Einsatz von aus-
ländischen Arbeiterinnen und Arbeitern begann 1939 mit dem sogenannten «Polen-
einsatz» : Zum einen gerieten durch den Überfall auf Polen rund 300.000 polnische
Kriegsgefangene in den deutschen Machtbereich, zum anderen startete man in jenem
Zeitraum eine intensive Kampagne zur Anwerbung polnischer Arbeitskräfte. Durch
diese kamen rund 310.000 Polen, unter ihnen zwei Drittel Frauen, in das Deutsche
Reich, zum Teil freiwillig, zum Teil zwangsrekrutiert und dienstverpflichtet. Zudem
wurden die polnischen Kriegsgefangenen im Sommer 1940 kurzerhand in den Status
von «Zivilarbeitern» überführt und zur Arbeit verpflichtet.20 Zur Regelung des Um-
19 Ulrich Herbert : Fremdarbeiter. Politik und Praxis des «Ausländer-Einsatzes» in der Kriegswirtschaft des
Dritten Reiches, Berlin/Bonn 21986. Vgl. zudem Mark Spoerer : Zwangsarbeit unter dem Hakenkreuz.
Ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und Häftlinge im Deutschen Reich und im besetzten Europa
1939–1945, Stuttgart/München 2001. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse (auch der neueren Stu-
dien) liefert Carina Baganz : Lager für ausländische zivile Zwangsarbeiter, in : Benz/Distel (Hg.), Ort des
Terrors, Bd. 9, S. 248–270. Zum übergreifenden Zusammenhang vgl. nun auch Mark Mazower : Hitlers
Imperium. Europa unter der Herrschaft des Nationalsozialismus, München 2009.
20 Zu den polnischen Kriegsgefangenen vgl. Edmund Nowak : Polnische Kriegsgefangene im «Dritten
Reich», in : Günter Bischof et al. (Hg.), Kriegsgefangene des Zweiten Weltkrieges. Gefangennahme –
Lager leben – Rückkehr, München/Wien 2005 (Kriegsfolgen-Forschung, 4), S. 507–517.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen