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195Nationalsozialistische
Terrorstätten |
Insofern kam es – ebenfalls im Unterschied zu den KZ – weder zu einer zentral ange-
strebten Systematisierung der Gewalt- und Terrorformen noch zur Ausprägung einer
für die AEL spezifischen Wachtruppe. Während als Lagerführer meist Gestapobeamte
Dienst taten, setzten sich die Wachmannschaften aus ganz unterschiedlichen Gruppen
zusammen. Bekannt ist, dass Angehörige der Schutzpolizei, der Feuerwehr, der Luft-
schutzpolizei, des jeweiligen Betriebswerkschutzes oder auch dienstverpflichtete Zivi-
listen oder private Wachdienste eingesetzt wurden. Ähnlich unterschiedlich gestaltete
sich auch die Zusammenarbeit mit anderen nationalsozialistischen Verfolgungsinstan-
zen, beispielsweise mit der SS. In einigen Regionen rivalisierten SS und Gestapo, in an-
deren kooperierten sie. Einige Stapo(leit)stellen richteten die AEL beispielsweise direkt
neben oder nahe einem Konzentrationslager ein. Dies ist fĂĽr Auschwitz, Buchenwald,
Dachau, GroĂź-Rosen und Stutthof belegt.
Die primäre Funktion der AEL – die angestrebte «Sicherung» der Arbeitsdisziplin
der zivilen deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen und vor allem der ausländischen
Zwangsarbeiter und -arbeiterinnen – wurde in der zweiten Kriegshälfte um weitere
ergänzt. Die AEL wurden nun zusätzlich auch für andere Zwecke der Gestapo bzw.
einzelner Stapo(leit)stellen genutzt : als Zwischenstation fĂĽr die Deportation der Juden
in den Osten, als Haftraum bei besonderen Verhaftungswellen, als Ausweich-Haftstätte
für überfüllte Polizei- oder Gerichtsgefängnisse und als Hinrichtungsstätte.
Nationalsozialistische Terrorstätten der Vernichtung der sowjetischen
Kriegsgefangenen
Die sowjetischen Kriegsgefangenen stellten Ende 1941 die größte Verfolgtengruppe
der deutschen Vernichtungspolitik dar. Ihr Leiden und Sterben, das seit den groĂźen
Studien von Christian Streit und Reinhard Otto bekannt ist und vor einigen Jahren
durch die wegweisenden Arbeiten von Christian Gerlach in den Kontext der natio-
nalsozialistischen Besatzungs- und Vernichtungspolitik gestellt wurde,31 fand in den
Lagern der Wehrmacht und zum Teil in den Konzentrationslagern statt.
31 Christian Streit : Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941–1945,
Stuttgart 1978 (Studien zur Zeitgeschichte, 13) ; Reinhard Otto : Wehrmacht, Gestapo und sowjetische
Kriegsgefangene im deutschen Reichsgebiet 1941/42, MĂĽnchen 1998 (Schriftenreihe der Vierteljahrs-
hefte fĂĽr Zeitgeschichte, 77) ; Christian Gerlach : Die Ausweitung der deutschen Massenmorde in den
besetzten sowjetischen Gebieten im Herbst 1941. Ăśberlegungen zur Vernichtungspolitik gegen Juden
und sowjetische Kriegsgefangene, in : ders., Krieg, Ernährung, Völkermord. Forschungen zur deutschen
Vernichtungspolitik im Zweiten Weltkrieg, Hamburg 1998, S. 10–84 ; sowie ders.: Kalkulierte Morde.
Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in WeiĂźrussland 1941 bis 1944, Hamburg 1999. Zur
Kriegsgefangenenpolitik insgesamt vgl. RĂĽdiger Overmans : Die Kriegsgefangenenpolitik des Deutschen
Reiches 1939 bis 1945, in : Echternkamp (Hg.), Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Bd. 9/2,
München 2005, S. 729–875.
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen