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207Nationalsozialistische
Terrorstätten |
auf 60.000 Juden und 19.000 nichtjüdische (vor allem polnische und weißrussische)
Häftlinge.66
Das zweite Vernichtungslager der IKL, Auschwitz-Birkenau, erlangte in der zweiten
Kriegshälfte zentrale Bedeutung für die «Endlösung». Seine Geschichte ist ebenso wie
die Geschichte des Gesamtkomplexes Auschwitz, zu dem das Stammlager Auschwitz,
der Zwangsarbeitskomplex Auschwitz-Monowitz sowie das Vernichtungslager Ausch-
witz-Birkenau gehörte, vor allem durch die Forschergruppe um Wacław Długoborski
und Franciszek Piper gut dokumentiert und erforscht.67 Hier sollen daher nur einige
Unterschiede zu den Vernichtungsstätten Kulmhof, Bełżec, Sobibór und Treblinka
erwähnt und die Entwicklung der für Birkenau typischen Tötungstechnologie etwas
näher betrachtet werden. Wie im Fall Majdanek handelte es sich auch bei Birkenau
um ein Lager im eigentlichen Sinne, in dem ein Teil der Deportierten vor ihrem Tod
längere Zeit gefangen gehalten wurden. Charakteristisch ist zudem (ebenfalls wie in
Majdanek) die «Selektion» genannte Trennung der Menschen in diejenigen, die als
arbeitsfähig galten, und diejenigen, welche die SS unmittelbar nach der Ankunft in
den Tod schickte. Wie in den Vernichtungsstätten und wie in Majdanek benutzte die
SS in Auschwitz als Ort des Massenmordes eine Gaskammer, die hier jedoch nicht mit
Kohlenmonoxid, sondern mit Zyklon B betrieben wurde.68 Dass in einer Gaskammer
schnell und «problemlos» getötet werden konnte, hatten die Auschwitzer SS-Führer im
Sommer 1941 in der «Euthanasieanstalt» Sonnenstein erfahren. Einige Mitglieder des
Kommandanturstabes hatten die im Rahmen der «Aktion 14 f 13» von den Experten
der «T4» ausgesonderten kranken und geschwächten Häftlinge des KZ Auschwitz nach
Sonnenstein begleitet und ihre Ermordung in der dortigen Gaskammer beobachtet.
Als sie wenige Wochen später experimentierten, wie die «russischen Kommissare» in
großer Zahl und aus ihrer Sicht problemlos ermordet werden könnten, griffen sie auf
die Tötungstechnologie der «Euthanasieanstalt» zurück und errichteten in Block 11
des Stammlagers Auschwitz eine Gaskammer. Die 850 Opfer des ersten Tötungsexpe-
riments kamen aus den beiden Gruppen, welche die Konzentrationslager-SS in jenem
Zeitraum gezielt und planmäßig ermordete : Es handelte sich um sowjetische Kriegs-
gefangene sowie kranke und geschwächte Häftlinge. Im Unterschied zu den «Euthana-
66 Tomasz Kranz : Lublin-Majdanek – Stammlager, in : Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hg.), Ort des Ter-
rors. Bd. 7 : Niederhagen/Wewelsburg, Lublin-Majdanek, Arbeitsdorf, Herzogenbusch (Vught), Bergen-
Belsen, Mittelbau-Dora, München 2008, S. 33–84, hier 72 f.
67 Wacław Długoborski/Franciszek Piper (Hg.) : Auschwitz 1940–1945. Studien zur Geschichte des Kon-
zentrations- und Vernichtungslagers, 5 Bde., Oświęcim 1999 ; vgl. auch Czech, Kalendarium ; Bernd C.
Wagner : IG Auschwitz. Zwangsarbeit und Vernichtung von Häftlingen des Lagers Monowitz 1941–1945,
München 2000 (Darstellungen und Quellen zur Geschichte von Auschwitz, 3) ; sowie die vom Staatlichen
Museum Auschwitz-Birkenau seit 1959 herausgegebenen «Hefte von Auschwitz». Einen Überblick boten
zuletzt Wolfgang Benz et al.: Auschwitz, in : ders./Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Bd. 5 : Hin-
zert – Auschwitz – Neuengamme, München 2007, S. 79–173.
68 In Majdanek benutzte die SS Kohlenmonoxid und Zyklon B.
Publikation im Sinne der CC-Lizenz BY 4.0
Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen