Seite - 216 - in Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik, Band 1
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216 | Christian DĂĽrr und Ralf Lechner
für den Steinbruch war an die Errichtung eines «Gefangenenlagers in Langenstein»
zum Betrieb des Steinbruches gebunden.13
Anfang August 1938 kam der erste Lagerkommandant Albert Sauer in Mauthau-
sen an. Am 8. August 1938 wurde, gemeinsam mit 80 SS-Angehörigen, ein Transport
von 304 Häftlingen aus dem KZ Dachau nach Mauthausen überstellt.14 Diese Häft-
linge – wie auch die 276 der nächsten beiden Transporte – stammten beinahe alle
aus Österreich, in der Mehrzahl aus Wien, und waren nach dem «Anschluss» in das
Konzentrationslager Dachau deportiert und als «P.S.V.»-Häftlinge («Polizeiliche Siche-
rungsverwahrung») kategorisiert worden.15
Die aus österreichischen Häftlingen bestehende Stammbelegschaft wurde ab Okto-
ber durch die Überstellung von vorwiegend aus dem «Altreich» stammenden «Krimi-
nellen» – in den Namenslisten der ersten Zeit abwechselnd mit «V.H.» (Vorbeugehäft-
ling), «S.V.» oder «B.V.» gekennzeichnet – aus den Konzentrationslagern Buchenwald
und Sachsenhausen erweitert, die in der Mehrzahl während der großangelegten Ver-
haftungsaktionen 1937/38 verhaftet worden waren.16 Rechtliche Grundlage fĂĽr diese
Massenverhaftungen waren der «Grundlegende Erlass über die vorbeugende Verbre-
chensbekämpfung durch die Polizei» des Reichsinnenministeriums vom 14.Â
Dezember
13 Es ist nicht bekannt, ob von vornherein die Errichtung zweier Konzentrationslager in Mauthausen und
Gusen geplant war oder ob sich die SS mit den zeitgleich gefĂĽhrten Verhandlungen um die SteinbrĂĽche
lediglich zumindest einen Standort sichern wollte. Die Aussage von Pohl vom 15. Juni (siehe Fn. 6) lässt
die erste Variante plausibel erscheinen.
14 Maršálek, Geschichte, S. 29 ; Transportliste vom 8. August 1938, Instytut Pamięci Narodowej, Warschau
(IPN), KL Mauthausen 4, S. 1–5.
15 Das bekannte System der Häftlingskategorisierung durch färbige Winkel bildete sich erst im Laufe der
Jahres 1938 heraus. Bei den «P.S.V.»-Häftlingen handelte es sich um Personen, die durch die Kriminal-
polizei ohne zeitliche Beschränkung in ein KZ eingewiesen wurden. Die Häftlinge dieser Kategorie wur-
den in Mauthausen später als «B.V.»-Häftlinge («Berufsverbrecher») geführt und mit grünen Winkeln
gekennzeichnet. Siehe Annette Eberle : Häftlingskategorien und Kennzeichnungen, in : Wolfgang Benz/
Barbara Distel (Hg.), Der Ort des Terrors. Bd. 1 : Die Organisation des Terrors, München 2005, S. 91–109,
hier 96. Unter diesen als «Kriminelle» Bezeichneten befanden sich durchaus auch politisch Verfolgte. Zu
den Häftlingen des ersten Transports vgl. Andreas Kranebitter : «Mauthausen begann in DachauÂ
…». Die
Lagergründung aus Häftlingssicht, in : Bundesministerium für Inneres (Hg.), KZ-Gedenkstätte Mauthau-
sen | Mauthausen Memorial 2008, Wien [2009], S. 74–79.
16 Gisela Rabitsch : Konzentrationslager in Österreich (1938–1945). Überblick und Geschehen, phil. Diss.
Univ. Wien 1967, S. 59, stellt die Frage, ob Mauthausen in der Anfangsphase als AuĂźenlager des KZ
Dachau gefĂĽhrt worden sei. Sie fĂĽhrt an, dass die Transporte des Jahres 1938 aus Dachau gekommen
wären, zudem hätten die Gefangenen die Häftlingsnummer aus dem KZ Dachau beibehalten. Michel Fa-
bréguet übernimmt diese These in : Mauthausen. Camp de concentration national-socialiste en Autriche
rattacheée (1938–1945), Paris 1999 (Bibliothèque d’histoire moderne et contemporaine, 1), S. 71. Auch
Hans Maršálek deklariert die Transporte des Jahres 1938 – bis auf einen am 27. November aus Sachsen-
hausenÂ
– als aus Dachau kommend. Transportlisten aus dem IPN belegen Transporte von 300Â
Häftlingen
am 18. Oktober und von 80 am 30. November 1938 aus dem KZ Buchenwald (IPN, KL Mauthausen 4,
S. 13–17 sowie 18 f.). Auch diese Häftlinge behielten in der Anfangszeit ihre Sachsenhausener oder Bu-
chenwalder Häftlingsnummern bei.
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Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
Band 1
- Titel
- Mauthausen und die nationalsozialistische Expansionsund Verfolgungspolitik
- Band
- 1
- Autoren
- Gerhard Botz
- Alexander Prenninger
- Regina Fritz
- Herausgeber
- Heinrich Berger
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2021
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-21217-1
- Abmessungen
- 16.8 x 23.7 cm
- Seiten
- 426
- Kategorien
- Geschichte Historische Aufzeichnungen